Geschäftsbericht 2023

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Creating tomorrow’s solutions

Forschung und Entwicklung

Mit seiner Forschung und Entwicklung (F & E) verfolgt WACKER drei Ziele:

  • Wir suchen nach Lösungen für die Bedürfnisse unserer Kunden, um einen Beitrag zu deren Markterfolg zu leisten.
  • Wir optimieren unsere Verfahren und Prozesse, um in der Technologie führend zu sein und nachhaltig zu wirtschaften.
  • Wir konzentrieren uns darauf, innovative Produkte und Anwendungen für neue Märkte zu schaffen sowie Zukunftsfelder zu bedienen – wie Energiespeicherung, Erzeugung regenerativer Energie, Elektromobilität, modernes Bauen und Biotechnologie.

Die F & E-Quote – das Verhältnis der Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen zum Konzernumsatz – liegt mit 2,9 Prozent (2022: 2,2 Prozent) über dem Vorjahr, wobei die absoluten Aufwendungen gestiegen sind.

Ausgaben für Forschung und Entwicklung

 

 

 

 

 

Mio. €

 

2023

 

2022

 

2021

 

2020

 

2019

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Forschungs- und Entwicklungskosten

 

184,1

 

178,4

 

164,2

 

156,6

 

173,3

Unser Patentportfolio umfasst weltweit rund 3.300 aktive Patente sowie 1.200 laufende Patentanmeldungen. Know-how von Dritten lizenzieren wir lediglich in geringem Umfang. Bei Forschungskooperationen, beispielsweise mit Hochschulen, tragen wir dafür Sorge, dass uns die Ergebnisse in der Regel mittels Übertragung der Nutzungsrechte zugänglich sind.

Wir haben in Labore und deren Ausstattung investiert sowie in Pilotreaktortechnologien und Pilotanlagen. An regionalen Forschungszentren investieren wir in neue Technologien für hochleistungsfähige Polymerdispersionen und Dispersionspulver sowie in formulierte Spezialprodukte und deren Hochskalierung. Am Standort Burghausen haben wir eine Pilotanlage zur Herstellung eines neuen Produkts für wärmeleitfähige Füllstoffe aufgebaut. In Halle bauen wir das Kompetenzzentrum für mRNA-Wirkstoffe aus. Unsere zentrale Forschung bündelt und intensiviert die Forschungsaktivitäten im Bereich Biotechnologie durch die Investition in ein neues Biotechnology Center am Standort des Consortiums für elektrochemische Industrie in München. In der zentralen Forschung haben wir in analytische Geräte für Hochdurchsatz-Screening von Stammbibliotheken investiert und Fermentationsanlagen erweitert.

Investitionen in F & E-Einrichtungen

Mio. €

Investitionen in F & E-Einrichtungen (Balkendiagramm)

Die Zukunftsfelder, in denen WACKER tätig ist, sind insbesondere Medizin und Biotechnologie, Energie, Elektronik, Automobil, Consumer Care und Ernährung sowie Bauanwendungen. Besonderes Augenmerk legen wir auf effizienten Energieeinsatz, Energiespeicherung und Erzeugung regenerativer Energie. Wir prüfen den Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen und Kohlendioxid in unserer Wertschöpfungskette. Ein Großteil der F & E-Kosten entfiel darauf, Produkte und Produktionsverfahren zu erforschen.

Struktur der F & E-Aufwendungen

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Struktur der F & E-Aufwendungen (Tortendiagramm)

Einige unserer Forschungs- und Entwicklungsprojekte werden durch Zuwendungen von öffentlicher Hand gefördert. Der Schwerpunkt dieser Projekte lag im Berichtszeitraum auf Prozessentwicklung, Halbleiteranwendungen der Mikroelektronik und Kommunikationstechnologien, Elektromobilität, Leichtbau, stofflicher Verwendung von CO2, künstlicher Intelligenz und Biotechnologie. Einige Projektbeispiele:

  • Im Projekt Etching-Line-Next entwickeln wir eine innovative Fertigung von Halbleiter-Polysilicium der nächsten Generation, um bahnbrechende mikroelektronische Anwendungen zu begleiten. Diese Halbleiteranwendungen werden einerseits in zukünftig noch kleineren Strukturbreiten (< 2nm) bei der Fertigung von Chips eingesetzt. Sie werden beispielsweise für anspruchsvollste Anwendungen der künstlichen Intelligenz sowie für Quantencomputer eingesetzt. Die höhere Reinheit des Halbleiter-Polysiliciums ermöglicht Innovationen für eine stabile Massenfertigung von Chips der 5G/6G-Technologien. Diese Kommunikationstechnologien spielen eine zentrale Rolle bei der Entwicklung des autonomen Fahrens sowie bei der Digitalisierung und Vernetzung von Industrie 4.0 und Internet of Things (IoT). Bei der Etching-Line-Next kombinieren wir eine innovative Ätzanlage mit einem neuartigen Brechverfahren und hohem Automatisierungsgrad. Im Rahmen des EU-Programms „Important Projects of Common European Interest“ (IPCEI ME/CT) fördern das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie das Projekt mit insgesamt 46 Mio. €.
  • Gemeinsam mit Partnern arbeiten wir im Förderprojekt InProMaL an einer integrierten und beschleunigten Prozessoptimierung zur Herstellung prälithiierter Elektroden für Energiespeicher mit verbesserter elektrochemischer Leistung. Der Fokus liegt auf einer Kombination der Vorlithiierung mit innovativen, siliciumhaltigen Anodenmaterialien. Dabei kommt maschinelles Lernen zum Einsatz, um Batteriezellen mit deutlich erhöhten Energiedichten herzustellen und die Schnellladefähigkeit in Batteriezellen zu erhöhen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert dieses Projekt.
  • Ziel des Projekts „H2-Reallabor Burghausen – ChemDelta Bavaria“ ist die Transformation der chemischen Industrie hin zu einer nachhaltigen, auf Wasserstoff basierten Branche. In einem vierjährigen Verbundvorhaben haben sich 35 Partner aus Industrie und Wissenschaft zusammengeschlossen, um Wasserstofftechnologien unter industrienahen Bedingungen zu testen. WACKER nimmt im Projekt eine zentrale Rolle ein. Gefördert wird das Projekt mit 39 Mio. € durch das BMBF. Als „Leuchtturmprojekt“ soll es der chemischen Industrie in Deutschland Wege hin zu einer klimaneutralen Wasserstoffwirtschaft weisen.
  • WACKER beteiligt sich an zwei öffentlich geförderten Projekten zur Nukleinsäureforschung. Im Projekt AIRMAIL entwickeln wir auch unter Einbeziehung von KI-Methoden neue RNA-Lipid-Formulierungen. Hier besteht eine enge Zusammenarbeit mit unseren Partnern, der Humboldt-Universität zu Berlin, der Ludwig-Maximilians-Universität München sowie dem Unternehmen CordenPharma.
  • Wir sind im Cluster for Nucleic Acid Therapeutics Munich (CNATM) aktiv. Das CNATM ist einer von sieben Gewinnern der Clusters4Future-Initiative des BMBF. Durch Kooperationen innerhalb des CNATM entsteht ein Netzwerk, in dem nukleinsäure-basierte Wirkstoffe und Vakzine der nächsten Generation entwickelt werden.
  • Im Förderprojekt MOSAIC entwickelt WACKER zusammen mit der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz modulare, skalierbare Anschwemmzellen für die Elektrokonversion von L-Cystin. Ziel ist es, ein neues, nachhaltigeres Verfahren zur Herstellung von Cystein zu entwickeln. MOSAIC ist Teil des Clusters zur Elektrifizierung elektroorganischer Synthesen (ETOS), das der Clusters4Future-Initiative des BMBF angehört.

Forschungs- und Entwicklungsarbeit auf zwei Ebenen

WACKER forscht und entwickelt auf zwei Ebenen: im Zentralbereich Forschung und Entwicklung (F & E) sowie dezentral in den Geschäftsbereichen, die anwendungsnah forschen und entwickeln. Der Zentralbereich F & E koordiniert diese Arbeiten unternehmensweit und bindet andere Bereiche ein.

Kooperation mit Kunden und Forschungseinrichtungen

Wir kooperieren mit Kunden, wissenschaftlichen Instituten und Universitäten, um schneller und effizienter Forschungserfolge zu erzielen. Die Themen unserer Kooperationen sind unter anderem Elektrolyse, Recycling, Bauanwendungen sowie Prozesssimulation und -entwicklung.

Die Wacker Chemie AG und die Technische Universität München (TUM) haben mit der Gründung des TUM WACKER Institute for Industrial Biotechnology ihre Partnerschaft vertieft. Ziel ist es, die Forschung in der industriellen Biotechnologie in Deutschland auf internationalem Spitzenniveau weiterzuentwickeln. Als Basis für nachhaltiges Wirtschaften sollen mit vereinten Kräften neue Ansätze für die Herstellung von Produkten für die Pharma-, Lebensmittel- und Chemieindustrie aus nachwachsenden Rohstoffen erforscht werden. WACKER fördert die Forschung am Institut über die Vertragslaufzeit von sechs Jahren mit über 6 Mio. €. Die neue Einrichtung nahm ihre Arbeit zum Wintersemester 2022/2023 auf.

Forschungsarbeit bei WACKER

In der F & E waren im Jahr 2023 konzernweit 906 Mitarbeitende beschäftigt (2022: 794). Dies entspricht 5,5 Prozent der Mitarbeitenden (2022: 5,0 Prozent). Davon arbeiteten 697 Personen bei der F & E in Deutschland und 209 im Ausland.

Alexander Wacker Innovationspreis

Den mit 10.000 € dotierten Alexander Wacker Innovationspreis verleihen wir seit dem Jahr 2006 im Rahmen der WACKER Innovation Days, eines jährlichen Forschungssymposiums, für Leistungen in der Produktinnovation, Prozessinnovation und Grundlagenforschung. Im Berichtsjahr prämiert wurden Verbesserungen des Verfahrens zur Herstellung von Polysilicium, die die Effizienz in der Produktion weiter steigern. Das Steuerungssystem wird so optimiert, dass sich die Parameter für die Abscheidung von Polysilicium in Echtzeit anpassen lassen und so ein optimiertes Wachstum der Polysiliciumstäbe ermöglichen.

Themen der zentralen Forschung und Entwicklung

Im Fokus unserer zentralen Konzernforschung stehen Projekte, die nachhaltige Themen voranbringen, beispielsweise Kreislaufwirtschaft, siliciumhaltige Batteriematerialien und Elektrolyseverfahren. Wir forschen am Einsatz nachhaltiger Rohstoffe, um den CO2-Fußabdruck unserer Produkte kontinuierlich zu verringern. Ein Schwerpunkt unserer Aktivitäten ist die biotechnologische Forschung, bei der wir zunehmend automatisiert und digitalisiert arbeiten. In der Fermentation erfassen wir umfangreiche Prozessdaten, um Verfahren computergestützt zu simulieren und zu optimieren. In der Mikrobiologie setzen wir zwei Schwerpunkte: Zum einen entwickeln und verbessern wir Technologien zur Produktion von Proteinen und Nukleinsäuren (DNA, RNA) für die Pharmabranche. Zum anderen erforschen wir Produktionssysteme für neue Inhaltsstoffe von Lebensmitteln mittels Fermentation und Biotransformation.

Forschungsprojekte der Geschäftsbereiche

Das Thema Nachhaltigkeit und die Reduktion des CO2-Fußabdrucks sind integraler Bestandteil der innovativen Aktivitäten von WACKER SILICONES. Wir arbeiten am Einsatz regenerativer Rohstoffe sowie an der Abbaubarkeit und dem Recycling unserer Produkte. Dazu verbinden wir Silicone mit abbaubaren organischen Rohstoffen. Außerdem erforschen wir Recyclingtechnologien, um vernetzte Silicone in wiederverwertbare Wertstoffe umzuwandeln. In globalen Kompetenzzentren arbeitet WACKER SILICONES an Trends wie Elektromobilität, Elektronik und Nachhaltigkeit. Einen Schwerpunkt stellen wärmeleitfähige Füllstoffe und deren Oberflächenbehandlung dar. Das Team „Electronic Excellence“ in Südkorea konzentriert sich auf optisch klare Silicone für Anwendungen in der Elektromobilität. Beim Thema Batteriesicherheit arbeiten wir an feuerfesten Faserverbundwerkstoffen, die mit Siliconharz-Bindemitteln sowohl Temperaturstabilität als auch Leichtbauweisen ermöglichen. Ein weiteres Forschungsprojekt befasst sich mit dem Brandschutz von carbonfaserverstärktem Beton. Dieser ist leistungsfähiger, aber um ein Vielfaches leichter als konventioneller Stahlbeton. Ziel ist es, durch eine Beschichtung des Fasergeleges mit Siloxanen einen Baustoff zu entwickeln, der die relevanten Brandschutznormen im Gebäudebau erfüllt. Kompetenzzentren vor Ort wie unser Medical Care Center in den USA betreuen regionale Märkte. Dort entwickeln wir beispielsweise Siliconsysteme, die Wirkstoffe gezielt in Pflasteranwendungen freisetzen.

WACKER POLYMERS konzentriert sich auf die Forschung und Entwicklung nachhaltiger, funktionaler Polymerbindemittel für die Baubranche und für die Produktion von Konsumgütern. Wir bewerten und optimieren unsere Produktpalette ständig anhand von Nachhaltigkeitskriterien. Einen Schwerpunkt legen wir darauf, in Produktionsprozessen nachwachsende Rohstoffe zu verwenden. Wir entwickeln Lösungen für die Kreislaufwirtschaft, z. B. Bindemittel mit einem hohen Anteil an nachwachsenden Rohstoffen. Während des Berichtszeitraums eingeführt haben wir funktionalisierte Polymerdispersionen, Dispersionspulver, Harze, nachhaltige Bindemittel für Klebstoffe sowie zementbasierte Baumaterialien. WACKER POLYMERS hat effiziente Produkte im Bereich Papier-Papier-Verklebung auf den Markt gebracht, mit denen wir den Trend „Plastic to Paper“ unterstützen. Einen Fokus legen wir darauf, unsere Produkt- und Produktionstechnologien weiterzuentwickeln, um sowohl in unseren Prozessen als auch in denen unserer Kunden Energie einzusparen.

WACKER BIOSOLUTIONS stärkt seine biotechnologischen Kompetenzen für Biopharma und Nahrungsmittel. Unsere mikrobielle Produktionsplattform ESETEC® haben wir im Berichtszeitraum weiterentwickelt. Wir bieten unseren Kunden Technologien zur Produktion von Plasmid-DNA (pDNA) sowie für verschiedene Klassen von Pharmaproteinen an. Damit begleiten wir sie von der präklinischen Entwicklung bis hin zur kommerziellen Produktion nach den Qualitätsrichtlinien der Good Manufacturing Practice. Am Standort Amsterdam können wir für Pharmakunden mRNA-basierte Wirkstoffe gemäß GMP produzieren. Das Projekt zur Errichtung eines mRNA-Kompetenzzentrums am Standort Halle verlief im Berichtszeitraum plangemäß; damit stärken wir unsere mRNA-Expertise weiter. Fermentative Verfahren zur Produktion hochwertiger, biobasierter Inhaltsstoffe entwickelt WACKER BIOSOLUTIONS für die Lebensmittelindustrie, um Kunden nachhaltige und nicht auf Petrochemie basierende Aminosäuren, Vitamine, Saccharide sowie Geschmacks- und Geruchsstoffe anzubieten. Wir arbeiten mit Partnern an Produktionstechnologien für Zellkulturfleisch („Cultivated Meat“) und liefern dazu hochwertige Komponenten. Auf dem Gebiet der Cyclodextrine entwickeln wir mit Partnern Anwendungen für die Lebensmittelbranche, Landwirtschaft und Pharmazie weiter.

Um das Potenzial von modernen Mikrochips auszuschöpfen, benötigt die Halbleiterindustrie ultrareines Polysilicium. WACKER POLYSILICON hat dafür mehrere Forschungsprojekte angestoßen. Einige betreffen die im Bau befindliche Fertigungslinie am Standort Burghausen, wo künftig halbleitertaugliches Polysilicium hergestellt wird. Zum Ausbau der Qualitätskontrolle wurde im Berichtsjahr das Projekt Quality LeaP (Quality Leadership in Polysilicon) intensiviert. Mit derart reinem Polysilicium ist in Zukunft auch die Herstellung von 3-nm-Chips und kleiner für Computeranwendungen im Bereich der künstlichen Intelligenz für Datenzentren sowie für autonomes Fahren möglich. Auch bei Solarmodulen gilt: Hohe Zellwirkungsgrade können nur mit höchstreinem Polysilicium erzielt werden. Referenzstudien wie die International Technology Roadmap for Photovoltaics (ITRPV) weisen für monokristalline Solarzellen mit PERC-Technologie (Passivated Emitter Rear Cell) Wirkungsgrade von mittlerweile über 23 Prozent aus. Heterojunction- oder Interdigitated-Back-Contact-Solarzellen erreichen Wirkungsgrade von über 24 Prozent. Solche Hochleistungssegmente setzen eine besonders hohe Qualität des Polysiliciums voraus. WACKER POLYSILICON trägt den steigenden Qualitätsansprüchen der Solarindustrie Rechnung, indem es seine Herstellungsprozesse laufend weiterentwickelt. Der Geschäftsbereich ist außerdem Mitglied der Initiative Alliance for Ultra Low Carbon Solar (ULCSA), die sich für den Einsatz von Photovoltaikkomponenten mit einem niedrigen CO2-Fußabdruck engagiert.