Forschung und Entwicklung
Mit seiner Forschung und Entwicklung (F & E) verfolgt WACKER drei Ziele:
- Wir suchen nach Lösungen für die Bedürfnisse unserer Kunden, um einen Beitrag zu deren Markterfolg zu leisten.
- Wir optimieren unsere Verfahren und Prozesse, um in der Technologie führend zu sein und nachhaltig zu wirtschaften.
- Wir konzentrieren uns darauf, innovative Produkte und Anwendungen für neue Märkte zu schaffen sowie Zukunftsfelder zu bedienen – wie Energiespeicherung, Erzeugung regenerativer Energie, Elektromobilität, modernes Bauen und Biotechnologie.
Die F & E-Quote – das Verhältnis der Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen zum Konzernumsatz – liegt mit 2,2 Prozent (2021: 2,6 Prozent) unter dem Vorjahr, wobei die absoluten Aufwendungen gestiegen sind.
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Mio. € |
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2022 |
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2021 |
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2020 |
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2019 |
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2018 |
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Forschungs- und Entwicklungskosten |
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178,4 |
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164,2 |
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156,6 |
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173,3 |
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164,6 |
Im Geschäftsjahr 2022 haben wir 53 Erfindungen zum Patent angemeldet (2021: 77). Im Rahmen des Programms „Zukunft gestalten“ haben wir das Patentportfolio in Abstimmung mit unserer Patentstrategie weiter bereinigt. Es umfasst nun weltweit rund 3.300 aktive Patente sowie 1.200 laufende Patentanmeldungen. Know-how von Dritten lizenzieren wir lediglich in geringem Umfang. Bei Forschungskooperationen, beispielsweise mit Hochschulen, tragen wir dafür Sorge, dass uns die Ergebnisse in der Regel mittels Übertragung der Nutzungsrechte zugänglich sind.
Wir haben in Labore und deren Ausstattung sowie in Pilotreaktortechnologien und Pilotanlagen investiert. An den Standorten Burghausen und Nünchritz treiben wir in den Silanbetrieben neue Verfahren voran, um die Energieeffizienz weiter zu erhöhen. In einer Pilotanlage am Standort Ulsan, Südkorea, entwickeln wir neue Technologien für polymere Bindemittel. Unser Innovationsmanagementsystem haben wir weiter automatisiert und die internationalen F & E-Kompetenzzentren noch stärker mit digitalen Technologien vernetzt. Mit dem Ausbau der Laborinfrastruktur in Jandira haben wir unsere Forschungspräsenz in Brasilien gestärkt. Ein Innovationszentrum für Siliconspezialitäten insbesondere im Medizin- und Biotechbereich haben wir am Standort Ann Arbor/Michigan, USA, eröffnet. In Halle bauen wir das Kompetenzzentrum für mRNA-Wirkstoffe aus. Unsere zentrale Forschung bündelt und intensiviert die Forschungsaktivitäten im Bereich Biotechnologie durch die Investition in ein neues Biotechnology Center am Standort des Consortium für elektrochemischen Industrie in München.
Die Zukunftsfelder, in denen WACKER tätig ist, sind insbesondere Medizin und Biotechnologie, Energie, Elektronik, Automobil, Consumer Care und Ernährung sowie Bauanwendungen. Besonderes Augenmerk legen wir auf effizienten Energieeinsatz, Energiespeicherung und Erzeugung regenerativer Energie. Wir prüfen den Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen und Kohlendioxid in unserer Wertschöpfungskette. Ein Großteil der F & E-Kosten entfiel darauf, Produkte und Produktionsverfahren zu entwickeln.
Mit unserer Initiative „New Solutions“ entwickeln wir technisch und kommerziell überlegene Lösungen für neue Anwendungen. Wir bündeln unsere Kompetenzen konzernweit und setzen sie bereichsübergreifend bedarfsgerecht ein.
Einige unserer Forschungsprojekte werden durch Zuwendungen von öffentlicher Hand gefördert. Der Schwerpunkt dieser Projekte lag im Berichtszeitraum auf Prozessentwicklung, Elektromobilität, Leichtbau, stofflicher Verwendung von CO2, künstlicher Intelligenz und Biotechnologie. Einige Projektbeispiele:
- Mit der XL-protein GmbH und der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) entwickeln wir im Förderprojekt CD40 einen langzeitig wirkenden immunsuppressiven Anti-CD40-Antikörper. Dieser soll toxische Nebenwirkungen reduzieren und unterdrücken, dass Organe abgestoßen werden, insbesondere bei der kardialen Xeno-Transplantation mit Herzen artfremder Spezies. Das Antikörperfragment kann auch in der Therapie von Autoimmunkrankheiten eingesetzt werden. Die Bayerische Forschungsstiftung unterstützt die Forschungsarbeiten.
- Ein Material- und Zellkonzept für Lithium-Ionen-Batterien mit hoher Energiedichte entwickeln wir mit Partnern im Projekt PerForManZ. Dabei wird Graphit in der Anode durch Silicium ersetzt. Wir entwickeln das Anodenmaterial in einem neuen Herstellprozess. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert diese Kooperation.
- Im Projekt Glykosid-Produktion forschen wir an Enzymen zur Produktion humaner Muttermilch-Oligosaccharide (HMO). Sie werden als Nahrungsergänzungsmittel in Babynahrung eingesetzt, um Immunsystem und Gehirnentwicklung zu stimulieren.
- Mit Partnern entwickeln wir antimikrobielle Peptide (AMPs). Die Aminosäureketten kommen im menschlichen Körper vor und wehren Krankheitserreger ab. So können sie beispielsweise in Molkereiprodukten wie Joghurt die Konservierung sichern. Die bioaktiven Verbindungen haben Potenzial für weitere Anwendungen in Lebensmitteln und Getränken sowie bei Körperpflege, Tierzucht und Pflanzenschutz. Das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie (StMWi) fördert das Projekt AMPuro zur Entwicklung, großtechnischen Produktion und Aufreinigung von AMPs.
Forschungs- und Entwicklungsarbeit auf zwei Ebenen
WACKER forscht und entwickelt auf zwei Ebenen: im Zentralbereich Forschung und Entwicklung (F & E) sowie dezentral in den Geschäftsbereichen, die anwendungsnah forschen und entwickeln. Der Zentralbereich F & E koordiniert diese Arbeiten unternehmensweit und bindet andere Bereiche ein. Im Projekt System Innovation (PSI) steuern wir unsere Produkt- und Prozessinnovationen konzernweit, indem wir Kundennutzen, Umsatzpotenzial, Profitabilität, Technologieposition und Nachhaltigkeitsbeitrag systematisch bewerten.
Kooperation mit Kunden und Forschungseinrichtungen
Wir kooperieren mit Kunden, wissenschaftlichen Instituten und Universitäten, um schneller und effizienter Forschungserfolge zu erzielen. Die Themen unserer Kooperationen sind unter anderem Elektrolyse, Recycling, Bauanwendungen sowie Prozesssimulation und -entwicklung.
Die Wacker Chemie AG gründete im Jahr 2006 gemeinsam mit der Technischen Universität München (TUM) das am Forschungscampus Garching beheimatete WACKER-Institut für Siliciumchemie, das wir seither fördern.
Die Wacker Chemie AG und die Technische Universität München (TUM) vertiefen mit der Gründung des TUM WACKER Institute for Industrial Biotechnology ihre Partnerschaft. Ziel ist es, die Forschung in der industriellen Biotechnologie in Deutschland auf internationalem Spitzenniveau weiterzuentwickeln. Als Basis für nachhaltiges Wirtschaften sollen mit vereinten Kräften neue Ansätze für die Herstellung von Produkten für die Pharma-, Lebensmittel- und Chemieindustrie aus nachwachsenden Rohstoffen erforscht werden. WACKER fördert die Forschung am Institut über die Vertragslaufzeit von sechs Jahren mit über 6 Mio. €. Die neue Einrichtung nahm ihre Arbeit zum Wintersemester 2022/2023 auf.
Forschungsarbeit bei WACKER
In der F & E waren im Jahr 2022 konzernweit 794 Mitarbeitende beschäftigt (2021: 762). Dies entspricht 5,0 Prozent der Mitarbeitenden (2021: 5,3 Prozent). Davon arbeiteten 599 Personen bei der F & E in Deutschland und 195 im Ausland.
Alexander Wacker Innovationspreis
Den mit 10.000 € dotierten Alexander Wacker Innovationspreis verleihen wir seit dem Jahr 2006 im Rahmen der WACKER Innovation Days, eines jährlichen Forschungssymposiums, für Leistungen in der Produktinnovation, Prozessinnovation und Grundlagenforschung. Das deutsch-spanische Gewinnerteam des Jahres 2022 hat ein effizienteres Fermentationsverfahren zur Produktion von L-Cystein entwickelt, indem es die natürliche Fermentationsleistung der eingesetzten E. coli-Stämme deutlich erhöhte. Damit verbessert das Team die Raum-Zeit-Ausbeuten und setzt neue Standards beim Umwandeln von Glucose in Cystein.
Themen der zentralen Forschung und Entwicklung
Im Fokus unserer zentralen Konzernforschung stehen Projekte, die nachhaltige Themen voranbringen, beispielsweise Kreislaufwirtschaft, siliciumhaltige Batteriematerialien und Elektrolyseverfahren. Wir forschen am Einsatz nachhaltiger Rohstoffe, um den CO2-Fußabdruck unserer Produkte kontinuierlich zu verringern. Ein Schwerpunkt unserer Aktivitäten ist die biotechnologische Forschung, bei der wir zunehmend automatisiert und digitalisiert arbeiten. In der Fermentation erfassen wir umfangreiche Prozessdaten, um Verfahren computergestützt zu simulieren und zu optimieren. In der Mikrobiologie setzen wir zwei Schwerpunkte: Zum einen entwickeln und verbessern wir Technologien zur Produktion von Proteinen und Nukleinsäuren (DNA, RNA) für die Pharmabranche. Zum anderen erforschen wir Produktionssysteme für neue Inhaltsstoffe von Lebensmitteln mittels Fermentation und Biotransformation.
Forschungsprojekte der Geschäftsbereiche
Das Thema Nachhaltigkeit und die Reduktion des CO2-Fußabdrucks sind integraler Bestandteil der innovativen Aktivitäten von WACKER SILICONES. Wir arbeiten am Einsatz regenerativer Rohstoffe, an der Abbaubarkeit und dem Recycling unserer Produkte. Dazu verbinden wir Silicone mit abbaubaren organischen Rohstoffen. Hochdisperse Kieselsäuren nutzen wir als Trägermaterial, um Kohlendioxid zu absorbieren und gezielt wieder freizusetzen. Wir erforschen Technologien, um vernetzte Silicone in wiederverwertbare Wertstoffe umzuwandeln. In globalen Kompetenzzentren arbeitet WACKER SILICONES an Trends wie Elektromobilität, Elektronik und Nachhaltigkeit. Einen Schwerpunkt stellen wärmeleitfähige Füllstoffe und deren Oberflächenbehandlung dar. Das Team „Electronic Excellence“ in Südkorea konzentriert sich auf optisch klare Silicone für Anwendungen in der Elektromobilität. Beim Thema Batteriesicherheit arbeiten wir an feuerfesten Faserverbundwerkstoffen, die mit Siliconharz-Bindemitteln Temperaturstabilität und Leichtbauweisen ermöglichen. Wir betreuen regionale Märkte mit Kompetenzzentren vor Ort, wie Medical Care in den USA. Dort entwickeln wir beispielsweise Siliconsysteme, die Wirkstoffe gezielt in Pflasteranwendungen freisetzen.
WACKER POLYMERS legt einen Forschungsschwerpunkt auf nachhaltige, funktionelle polymere Bindemittel für die Baubranche und Konsumgüter. Wir bewerten fortlaufend unser Produktportfolio und verbessern es durch Nachhaltigkeitskriterien. Im Fokus steht, nachwachsende Rohstoffe für unsere Produktionsprozesse nutzbar zu machen sowie Lösungen für die Kreislaufwirtschaft zu erschließen. Unsere Themenschwerpunkte umfassen Produktlösungen für bioabbaubare Artikel und Recyclingoptionen, beispielsweise den Einsatz von Recyclingbeton als Sandersatz in Trockenmörtel. Im Berichtszeitraum haben wir funktionalisierte Polymerdispersionen, polymere Dispersionspulver und polymere Harze auf den Markt gebracht, mit denen unsere Kunden unter anderem leistungsfähige Klebstoffe und Trockenmörtel herstellen. Mit dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT), das wir beim Aufbau einer Innovationsplattform für nachhaltiges Bauen unterstützen, haben wir ein Symposium für ressourcengerechtes Bauen veranstaltet.
WACKER BIOSOLUTIONS stärkt seine biotechnologischen Kompetenzen für Biopharma und Nahrungsmittel. Unsere Proteinproduktionsplattform ESETEC® haben wir im Berichtszeitraum weiterentwickelt und die Versorgung mit schwierig zugänglichen Pharmaproteinen weiter verbessert. Wir optimieren Produktionsprozesse für Plasmid-DNA (pDNA), die wir unseren Kunden unter dem Namen LIBATEC® nach den Qualitätsrichtlinien der Good Manufacturing Practice (GMP) anbieten. Weiterentwickelt haben wir unsere LIBATEC®-Technologie zur Produktion von Lebendbakterien als pharmazeutisch aktiven Wirkstoffen. Am Standort Amsterdam können wir für Pharmakunden mRNA-basierte Wirkstoffe gemäß GMP produzieren. Ein neues mRNA-Kompetenzzentrum errichten wir am Standort Halle. Fermentative Verfahren zur Produktion hochwertiger, biobasierter Inhaltsstoffe entwickelt WACKER BIOSOLUTIONS für die Lebensmittelindustrie. Bei Zellkulturfleisch („Cultivated Meat“) sehen wir uns als Zulieferer für hochwertige Medienkomponenten und arbeiten mit Partnern an Produktionstechnologien und Produktangeboten. Für Cyclodextrine entwickeln wir Anwendungen in der Lebensmittelbranche, Landwirtschaft und Pharmazie weiter.
WACKER POLYSILICON hat im Berichtjahr das Projekt Quality LeaP (Quality Leadership in Polysilicon) fortgesetzt, um bei weiter steigenden Reinheitsanforderungen der Kunden seine Qualitätsführerschaft auszubauen. Die technologische Entwicklung der Solarmodule macht über alle Schritte der Wertschöpfungskette enorme Fortschritte, was sich in kontinuierlich steigenden Zellwirkungsgraden widerspiegelt. Höchste Zellwirkungsgrade können nur mit höchstreinem Polysilicium erzielt werden, wie WACKER POLYSILICON es produziert. Referenzstudien wie die International Technology Roadmap for Photovoltaics (ITRPV) weisen für monokristalline Solarzellen mit PERC-Technologie (Passivated Emitter Rear Cell) Wirkungsgrade von mittlerweile über 22 Prozent aus. Der Wirkungsgrad gibt an, wie viel der eingestrahlten Energie eine Solarzelle in Strom umwandelt. Monokristalline Hochleistungszellen, beispielsweise Heterojunction- oder Interdigitated-Back-Contact-Solarzellen, erreichen Wirkungsgrade von 23 bis 25 Prozent. Solche Hochleistungssegmente setzen eine besonders hohe Qualität des Polysiliciums voraus, wie WACKER sie liefert. Wir sind Mitglied der Initiative Alliance for Ultra Low Carbon Solar (ULCSA), die sich für den Einsatz von Photovoltaikkomponenten mit einem niedrigen CO2-Fußabdruck engagiert.