Geschäftsbericht 2023

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Creating tomorrow’s solutions

Investitionen in die Zukunft — Moleküle

Wir investieren in Moleküle

Case Studies 5 Min. Lesezeit

WACKER zählt zu den forschungsintensivsten Chemieunternehmen weltweit. Im Mittelpunkt stehen dabei immer die Kunden. Mit innovativen Lösungen und kontinuierlichen Verbesserungen wollen wir ihre Bedürfnisse bestmöglich bedienen.

Case Study |  China

SILICONES Innovation reloaded

Henry Fan steht in seinem weißen Laborkittel vor der Abzugshaube und lässt den Blick über die Labortische im WACKER Shanghai Technical Center schweifen. In langen Reihen stehen fein säuberlich aufgereiht Mensuren, Mischer, diverse Testapparate. Im Hintergrund ist das Summen eines Abzugs zu hören. Seit 2022 leitet der 45-jährige Chemieingenieur, der 2006 zu WACKER stieß, das Forschungsteam für Siliconharze in China. „Ich liebe es, zu forschen und neue Anwendungsgebiete zu entdecken“, sagt er. „Dabei gilt es, auch Themen im Blick zu behalten, die möglicherweise in Vergessenheit geraten sind.“

Sein aktuelles Projekt ist dafür ein gutes Beispiel. Vor einem Jahr fiel dem Forscher eine Studie in die Hände, die vor zwei Jahrzehnten aufgelegt worden war. In dem 200 Seiten starken Werk hatten Siliconchemiker am Standort Burg­hausen Silicon­harze als Flammschutzmittel für Kunststoffe wie Polycarbonat und Polyamid untersucht. Das Projekt wurde seinerzeit zurückgestellt.

Fan, der das Geschäftspotenzial des Themas sofort erkannte, erweckte das Projekt aus dem Dornröschenschlaf. Flammschutzmittel werden weltweit in großen Mengen benötigt. Marktexperten schätzen, dass jedes Jahr über zwei Millionen Tonnen solcher Additive eingesetzt werden, Tendenz steigend.

Hauptabnehmer sind vor allem die Bau-, Elektro- und Elektronik­industrie, wo die Verwendung von Kunststoffen mit Flammschutzadditiven schon lange ein Muss ist. Auch in der Transport- und Automobilindustrie steigt der Bedarf. Ganz besonders gilt das für die Elektromobilität.

Problem ist, dass in der Europäischen Union und in den USA einige Flammschutzadditive aus Umwelt- und toxikologischen Gründen bald nicht mehr eingesetzt werden dürfen. „Kunststoffverarbeiter sind somit langfristig gezwungen, auf halogen­freie Additive umzusteigen, wenn sie ihre Produkte in diese Länder verkaufen wollen“, sagt Fan. „Für Siliconharze und Silane eröffnen sich damit ganz neue Märkte.“

Silicone eignen sich aus mehreren Gründen als Flammschutzmittel. Sie besitzen beispielsweise die Eigenschaft, beim Verbrennen zu keramifizieren. Die dabei entstehende Asche legt sich wie eine feste Schicht über den Brandherd und erstickt ihn. Außerdem bilden Silicone beim Verbrennen Pyrolysegase. Dieser Gasstrom verdrängt den Sauerstoff und wirkt wie ein Luftzug, der die Flammen ausbläst.

Henry Fan kam bei seinen Studien noch einer weiteren positiven Eigenschaft auf die Spur: In Kombination mit bestimmten Silanen können Siliconharze die Tropfenbildung bei schmelzenden Kunststoffen verhindern. Das reduziert wiederum das Risiko, dass brennende Tröpfchen weitere Brände auslösen. „Wenn es uns gelingt, die guten Flammschutzeigenschaften unserer Silicone mit einem effektiven Anti-Dripping-Effekt zu kombinieren, haben wir wieder einmal eine wegweisende Produkt­innovation für unsere Kunden auf den Markt gebracht.“

2

Mio. Tonnen

Flammschutzmittel werden weltweit ein­gesetzt – Tendenz steigend

Siliconexperte Henry Fan und sein Team forschen im Shanghai Technical Center an neuartigen Flammschutzmitteln für Kunststoffe.

Siliconexperte Henry Fan und sein Team forschen im Shanghai Technical Center an neuartigen Flammschutzmitteln für Kunststoffe.

Nah am Kunden, nah am Markt: Im Shanghai Technical Center werden maßgeschneiderte Lösungen für Kunden entwickelt.

Nah am Kunden, nah am Markt: Im Shanghai Technical Center werden maßgeschneiderte Lösungen für Kunden entwickelt.

Die chinesische Firmenzentrale von WACKER in Shanghai beherbergt mehrere anwendungstechnische Labors. Schwerpunkte sind die Bereiche Zement und Beton, Elektromobilität und Consumer Care.

Die chinesische Firmenzentrale von WACKER in Shanghai beherbergt mehrere anwendungstechnische Labors. Schwerpunkte sind die Bereiche Zement und Beton, Elektromobilität und Consumer Care.

Case Study  |  USA

POLYMERS Wider den Sturm

Der Wunsch, Neues zu entdecken, hat Zarka Zarkov aus ihrer Heimat Smederevo in Serbien über Belgrad nach Allentown, Pennsylvania, in den USA geführt. Mit ihrem Hintergrund in Chemieingenieurwesen, Polymerwissenschaft und Maschinenbau war sie die perfekte Besetzung für WACKER. Heute, nach mehr als 15 Jahren im Unternehmen, leitet sie das Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationsteam für POLYMERS in der Region Nord- und Mittelamerika. Im Zusammenspiel mit Kunden und Kollegen auf der ganzen Welt erarbeitet sie vor allem für die Bauindustrie Lösungen für praktische Herausforderungen und behält dabei besonders die Nachhaltigkeit im Blick.

Innovationen im Bauwesen sind der Schlüssel zur Senkung der CO2-Emissionen und der Heizkosten: Weltweit macht der Betrieb von Gebäuden 30 Prozent des gesamten Energieverbrauchs aus und verursacht 26 Prozent der globalen energiebezogenen CO2-Emissionen. In einem durchschnittlichen amerikanischen Haus entfallen 50 bis 70 Prozent der verbrauchten Energie auf Heizung und Kühlung. Wärmedämmverbund­systeme (WDVS, auch EIFS genannt in den USA) gehören zu den effizientesten und erfolgreichsten Methoden, Wände von außen zu isolieren, um Wärmeverluste zu reduzieren.

Bevor die Dämmplatte angebracht werden kann, wird die Ummantelung der Gebäudehülle mit einer witterungsbeständigen Barriere versehen. Diese Barriere ist für die Erhaltung einer luftdichten Gebäudehülle unerlässlich und ein wesentlicher Faktor für die Gewährleistung der Energieeffizienz. Selbst in einem versiegelten Gebäude muss Wasserdampf entweichen können, um negative Auswirkungen der in der Ummantelung eingeschlossenen Feuchtigkeit zu vermeiden. Da in den USA häufig mit Holz und Gipsbaustoffen gebaut wird, ist eine zuverlässige Schutzbarriere, die die Wasseraufnahme verhindert, unerlässlich. „Traditionell hat die Bauindustrie Styrol-Butadien-Latex (SBL) als Bindemittel der Wahl für wasser­abweisende Barrieren in Wärmedämmverbundsystemen eingesetzt. SBL ist zwar sehr wasserbeständig, aber zersetzt sich mit der Zeit, wenn es UV-Licht, Wind oder Regen ausgesetzt ist. Dies stellt ein Problem in der Bauphase dar, wenn die Wärmedämmverbundsysteme – vor der Installation der Dämmung und Verkleidung – über einen längeren Zeitraum der Naturgewalt ausgesetzt sind. Die Qualität der Barriere verschlechtert sich deutlich“, erklärt Zarka Zarkov.

WACKER hat eine neue Rezeptur auf Basis einer Vinylacetat-Ethylen (VAE)-Dispersion entwickelt, die auf die Bedürfnisse des US-Marktes zugeschnitten ist. „Die neuen Produkte auf VAE-Basis können bis zu einem Jahr lang UV-Licht, Wind oder Regen trotzen, ohne dass sich ihre Haftung mit dem zemen­tären Klebemörtel verliert, welcher zur Verklebung der Dämmplatten an der Wand verwendet wird. Gleichzeitig haben wir auf keinen der anderen Vorteile, die das Material bietet, verzichtet, um die Haftung zu verbessern“, betont Zarkov. „Dieses Beispiel zeigt einmal mehr, wie wichtig es ist, bei der Entwicklung innovativer Lösungen nah an den Kunden und ihren Bedürfnissen zu sein.“

26

Prozent

der weltweiten energiebezogenen CO2-Emissionen entstehen durch den Gebäudebetrieb

Zarka Zarkov, Leiterin des Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationsteams für POLYMERS in der Region Nord- und Mittelamerika

Zarka Zarkov, Leiterin des Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationsteams für POLYMERS in der Region Nord- und Mittelamerika

Das WACKER POLYMERS-Forschungs- und Entwicklungszentrum in Allentown, Pennsylvania, USA.

Das WACKER POLYMERS-Forschungs- und Entwicklungszentrum in Allentown, Pennsylvania, USA.

Das POLYMERS-Forschungsteam in Allentown hat ein neues Bindemittel auf Basis einer Vinylacetat-Ethylen- (VAE)-Dispersion entwickelt, welches in Wärmedämmverbundsystemen für den US-amerikanischen Markt zum Einsatz kommt.

Das POLYMERS-Forschungsteam in Allentown hat ein neues Bindemittel auf Basis einer Vinylacetat-Ethylen- (VAE)-Dispersion entwickelt, welches in Wärmedämmverbundsystemen für den US-amerikanischen Markt zum Einsatz kommt.

Case Study |  Spanien

BIOSOLUTIONS Somos Uno

Meterhohe Edelstahlkessel reihen sich in den Produktionshallen aneinander. In Schutzkleidung hantieren Mitarbeitende an den Anlagen. In der Luft liegt der Geruch von Fermentation. „Das hier wird etwas Großes“, sagt Laura Lopez Pineda voller Überzeugung. „Wir haben hochqualifiziertes und motiviertes Personal, gute Produktionskapazitäten und Platz für weiteres Wachstum.“ Im Mai 2023 wurde ADL BioPharma in León Teil von WACKER. Bald darauf kam Lopez an den traditionsreichen Biotech-Standort im Norden Spaniens. Ihre Aufgabe: als Integrationsmanagerin zur erfolgreichen Ein­gliederung in den Konzern beizutragen.

Mit der Übernahme von ADL – einer Investition von über 100 Millionen €, die sie mit vorbereitet hat –, will sich WACKER noch stärker auf dem Wachstumsmarkt für nachhaltig hergestellte Lebensmittelinhaltsstoffe positionieren. Eine Milliarde € Umsatz bis 2030 lautet das ambitionierte Ziel des Geschäftsbereichs BIOSOLUTIONS bei WACKER und der Standort León soll kräftig dazu beitragen. Noch ist die Biotech-Sparte die kleinste im Konzern – doch sie wächst Stück für Stück.

Im Jahr 2016 hatte WACKER auf dem Gelände von ADL in León bereits eine Anlage zur fermentativen Herstellung von Cystin erworben. Jetzt gehört der komplette Standort zu WACKER. Cystin und die daraus hergestellte Aminosäure Cystein sind in der Lebensmittel-, Pharma- und Kosmetikindustrie gefragt. Mit ihnen lassen sich Aromen erzeugen und Backteige besser verarbeiten, sie dienen als Antioxidantien in Kosmetikprodukten oder als Schleimlöser in Hustenmitteln. WACKER war das weltweit erste Unternehmen, das Cystin nach einem patentierten Verfahren biotechnologisch herstellte.

Ihre Arbeit beschreibt die gebürtige Kolumbianerin so: „Ich bin Schnittstelle, Problemlöserin und Vermittlerin zwischen Fachbereichen und Kulturen. Wir formen am Standort unter dem Motto ‚Somos uno – Wir sind eins’ aus der alten Wacker Biosolutions León mit ihren 80 Mitarbeitenden und den knapp 300 von ADL eine Einheit und integrieren diese in den Konzern.“

Die Kombination des großtechnischen Potenzials der Spanier mit der reichen Erfahrung von WACKER in der Biotechnologie eröffnet großes Wachstumspotenzial – als Auftragshersteller (CMO) und für die Hochskalierung eigener Innovationen. Lopez wird mit ihrer jungen Familie in León bleiben und die Entwicklung des WACKER-Standorts weiter mitgestalten. „Ich glaube stark an die Zukunft, die wir hier bauen.“

1

Mrd. Euro

Umsatz im Jahr 2030: Wachstumsziel BIOSOLUTIONS

Integrationsmanagerin Laura Lopez Pineda

Integrationsmanagerin Laura Lopez Pineda

Standort ADL BioPharma León: Im Mai 2023 übernahm WACKER mit ADL BioPharma einen Auftragshersteller für die Lebensmittel-, Pharma- und Konsumgüterindustrie.

Standort ADL BioPharma León: Im Mai 2023 übernahm WACKER mit ADL BioPharma einen Auftragshersteller für die Lebensmittel-, Pharma- und Konsumgüterindustrie.

Fermentationsanlagen am Standort León

Fermentationsanlagen am Standort León

Case Study  |  Deutschland

POLYSILICON 99,9999999999 Prozent rein

In den kleinen weißen Kunststoffkörben liegt silbrig glänzendes Silicium und wartet darauf, im Säurebad abzutauchen. Dieses polykristalline Silicium von WACKER ist der reinste von Menschenhand hergestellte Stoff. Ver­un­reinigungen im Material werden in parts per trillion (ppt = ein Fremdatom auf eine Billion Siliciumatome) gemessen; das WACKER-Silicium entspricht einer Reinheit von 99,9999999999 Prozent.

Hochreines Silicium bildet die Grundlage für hochleistungsfähige Logik- und Speicherchips, wie sie u.a. in neuesten Smartphones verbaut sind. Nur wenige Hersteller auf der Welt beherrschen ihre Prozesse derart perfekt, um Silicium in Halbleiterqualität herzustellen. Nahezu 50 Prozent des Materials, das weltweit zu Chips verarbeitet wird, kommt von WACKER; für die höchsten Qualitätsanforderungen in der Halbleiterindustrie durchläuft es zuvor ein Säurebad, bevor es an den Kunden verschickt wird.

Kontinuierlich rund um die Uhr betreiben die Beschäftigten im Betrieb der Polyreinigung mehrere Fertigungslinien: Das zuvor hochrein abgeschiedene und gebrochene Polysilicium wird dabei lückenlos auf seine Qualität geprüft, im Anschluss über den Ätzprozess gereinigt und in einem Reinraum in eine hochreine Kunststofffolie versandfertig verpackt.

„Dieses Ätzen ist ein entscheidender Qualitätsschritt, um die von unseren Kunden geforderte Reinheit des Siliciums sicherzustellen“, betont Michaela Waldhör, Schichtführerin in der Polyreinigung.

Der Hintergrund: Beim Brechen der zuvor abgeschiedenen Siliciumstäbe ist eine geringe Kontamination mit Fremd­atomen unvermeidlich. „Also muss die Oberfläche von Semi-Poly noch einmal separat gereinigt werden. Das machen wir, indem wir das Material mit hochkonzentrierten Säuren ätzen“, berichtet Michaela Waldhör.

Silicium in Halbleiterqualität ist gefragt, um neue Anwendungen in der Künstlichen Intelligenz, der Elektromobilität oder im autonomen Fahren zu realisieren. Um den wachsenden Bedarf zu decken, baut WACKER in Burghausen für gut 300 Millionen € eine neue Reinigungslinie. Hier werden zukünftig 100 weitere Kolleginnen und Kollegen zusammen mit Michaela Waldhör darüber wachen, dass die weißen Kunststoffkörbe im Säurebad ab- und wieder auftauchen – und die Kunden so die gewohnt herausragende Qualität erhalten.

300

Mio. Euro

investiert WACKER in eine neue Reinigungslinie für Halbleiter-Polysilicium in Burghausen

Michaela Waldhör, Schichtführerin in der Polyreinigung am Standort Burghausen

Michaela Waldhör, Schichtführerin in der Polyreinigung am Standort Burghausen

Im Reinraum wird der Polysilicium-Bruch in Kunststofffolie verpackt und danach an den Kunden verschickt.

Im Reinraum wird der Polysilicium-Bruch in Kunststofffolie verpackt und danach an den Kunden verschickt.

Das aktuelle Gebäude der Polyreinigung in Burghausen. Für rund 300 Millionen € errichtet WACKER derzeit eine weitere Reinigungslinie, die die Reinigungskapazität für Halbleiter-Silicium um deutlich mehr als 50 Prozent steigert.

Das aktuelle Gebäude der Polyreinigung in Burghausen. Für rund 300 Millionen € errichtet WACKER derzeit eine weitere Reinigungslinie, die die Reinigungskapazität für Halbleiter-Silicium um deutlich mehr als 50 Prozent steigert.