Geschäftsbericht 2024

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Creating tomorrow’s solutions

Wir gehen neue Wege.

Leistung und Begeisterung

Endverbraucher in China können seit kurzem WACKER Siliconkartuschen im Internet kaufen. Mit viel Leidenschaft und Einsatz hat ein sechsköpfiges Team diesen Vermarktungsweg etabliert.

Personengruppe (Foto)

#1

Bei der Suche nach Siliconkartuschen landet WACKER im chinesischen Onlinehandel auf Platz 1.

Livestream auf Handy  (Foto)
Livestreams und Chats auf Online-Portalen sind wichtige Bausteine des neuen Vermarktungskonzepts.

Sie werden in Livestream-Shows angeboten, ambitionierte Heim- und Handwerker preisen ihre Vorteile auf ihren Chats im Internet an: Silicondichtstoffe von WACKER sind heute in China auf allen wichtigen Business-to-Customer-Handelsplätzen erhältlich. Wer sich mit den grün-goldenen Kartuschen mit dem WACKER Logo eindecken will, muss nicht mehr in den Fachhandel oder zum Baumarkt, sondern bekommt die Ware aus dem E-Shop gleich nach Hause geliefert. Und das Geschäft brummt: Eine von fünf WACKER Kartuschen landet bereits über Online-Kanäle beim Kunden – Tendenz steigend.

Haupttreiber hinter diesem Erfolgsmodell ist ein interdisziplinäres sechsköpfiges Team in China. „Wir waren uns ziemlich sicher, dass das Vertriebsmodell funktioniert“, sagt George Lu, Leiter des Dichtstoffgeschäfts von WACKER China. „Aber dass es derart einschlagen würde, hat selbst mich überrascht.“ Die jahrelange Arbeit an dem Vermarktungskonzept hat sich gelohnt: 2024 wurde das Team mit dem wichtigsten Forschungspreis des Konzerns, dem Alexander Wacker Innovationspreis, ausgezeichnet.

George Lu, der in Shanghai lebt und arbeitet, beschäftigt sich seit mehr als zehn Jahren im Unternehmen mit Silicondichtstoffen. Eine Frage ließ ihm keine Ruhe: „WACKER produziert qualitativ hochwertige Produkte. Die meisten Distributoren haben aber wenig Interesse an einer aktiven Vermarktung. Für sie zählt vor allem der Preis“, sagt er. „Deshalb habe ich mich gefragt, wie wir dem Endkunden die Vorteile unserer Dichtstoffe direkter und deutlicher zeigen können.“

William Wang, Maria Mei und George Lu. (Foto)
Freuen sich über ihren Marketingcoup (von links): Anwendungstechniker William Wang, Distributionsmanagerin Maria Mei und Business Team-Leiter George Lu.

Silicondichtstoffe sind das einzige gebrauchsfertige Produkt im Produktportfolio des Unternehmens. In Kartuschen abgefüllt, sind sie sofort einsatzbereit: zum Abdichten von Fugen in Bad und Küche, fürs Kleben oder auch für Montagearbeiten. Kein anderes WACKER Produkt eignet sich deshalb auch so gut für die B2C-Vermarktung. Je nach Region nutzt das Unternehmen allerdings unterschiedliche Vertriebsmodelle: In Europa, Nord- und Südamerika tritt der Konzern nicht als Hersteller in Erscheinung. Hier vermarkten Kunden die Kartuschen unter eigener Marke. Kartuschen mit WACKER Logo gibt es nur in einigen Ländern im Nahen Osten, in Afrika, Südostasien. Und in China.

Als George Lu 2020 die Leitung des Dichtstoffteams übernahm, existierten schon erste B2C-Erfahrungen. 2007 bot WACKER China Silicondichtstoffe unter eigener Marke über seine Distribu­to­ren an, mit mäßigem Erfolg. Lu startete deshalb einen neuen Anlauf. Dabei setzte er auf ein absolutes Premiumprodukt: Alkoxysilicone. Sie besitzen im Gegensatz zu anderen Produktklassen gleich mehrere Vorteile: Weil sie, ohne Essig abzuspalten, vernetzen, lassen sie sich in Innenräumen auf vielfältige Weise einsetzen – auch in Bädern und Nasszellen, wo der Schutz vor Schimmel besonders gefragt ist. In Sachen Verbraucherschutz haben solche Dichtstoffe ebenfalls die Nase vorn. Beim Ab­bin­den entsteht lediglich Alkohol. Alkoxysilicone gelten deshalb als geruchsarm und umweltfreundlich. „Wer in China erfolgreich sein will, muss dem Kunden etwas Besonderes bieten“, sagt Lu.

2020 startete sein Team mit der Vermarktung des Dichtstoffs WACKER DA. DA steht für „durable“ und „anti-fungi“, was so viel heißt wie langlebig und anti-fungizid. Letzteres ließ sich Lu auch von einem unabhängigen Prüfinstitut bescheinigen – ein absolutes Novum in China. „WACKER war das erste Unternehmen, das ein derartiges Produkt auf den Markt brachte. Nach einer umfassenden Marketingkampagne wurde DA zum Bestseller und die WACKER Marke auf einen Schlag berühmt“, erinnert sich Anwendungstechniker William Wang, der damals zum Business Team stieß. Durch die Folgen der COVID-Pandemie wurde das Geschäft zusätzlich beschleunigt. So nutzten viele Chinesen die damals geltenden Ausgangssperren, um ihr Bad auf Vordermann zu bringen. Besonders gefragt waren geruchsarme Produkte.

Dichtstoffe in China: Die Konkurrenz ist groß

Ortswechsel: Im Verkaufsbüro Peking betreut Rula Wang die Vermarktung von Siliconkartuschen im Norden des Landes. Der Marketing Manager ist seit vielen Jahren im Geschäft und kennt den Dichtstoffmarkt wie seine Westentasche. Mit rund 1.000 Herstellern sei China einer der herausforderndsten Dichtstoffmärkte der Welt. Hoher Wettbewerbsdruck und eine schwache Bauindustrie drückten seit längerem auf den Absatz, erzählt Wang. „Baufirmen und Handwerker greifen aus Kostengründen meistens zu billigen Dichtstoffen, was immer wieder zu Mängeln und Reklamationen führt. Leider wissen zu wenige Kunden, dass sich das mit qualitativ hochwertigen Produkten wie unseren Alkoxy­siliconen vermeiden lässt.“

Doch das ändert sich gerade. Mit seinen Marktplätzen krempelt das Internet das B2C-Geschäft und damit auch das Kaufverhalten vieler Kunden in China um. Die Volksrepublik gehört schon heute zu den wichtigsten Online-Märkten der Welt. Mehr als eine Milliarde Chinesen shoppen regelmäßig online: Mode, Lebensmittel, Kosmetik, Unterhaltungselektronik – alles, was man für den Eigenbedarf so braucht. Auch Siliconkartuschen.

Rula Wang und seine Kollegen aus dem Distributionsmanagement, Qiang Cao und Maria Mei, nahmen mehrere E-Commerce-Modelle unter die Lupe. Dabei wurde schnell klar: WACKER besitzt weder die Ressourcen noch die Logistik, um die Komplexität des Online-Handels selbst zu stemmen. Die Manager entschieden sich deshalb für einen anderen Weg. In dieser Variante sind die Distributoren für das Online-Geschäft verantwortlich. WACKER liefert lediglich die Kartuschen und das Know-how für Vertrieb und Marketing. „Alle Bestell- und Zahlungsvorgänge im E-Shop, die Konfektionierung und den Versand der Ware einschließlich der Bearbeitung und Abwicklung von Reklamationen übernimmt der Händler“, erklärt Cao. „Im Gegenzug schulen wir die Verkäufer und stellen Werbematerial für den Online-Auftritt zur Verfügung.“

Cao und Mei haben jahrelang die Entwicklung des Dichtstoffgeschäfts auf wichtigen Online-Handelsplätzen untersucht. Das Ergebnis überrascht kaum: B2C-Plattformen wie Tmall, Taobao und Jingdong bieten für das WACKER Label enorme Chancen. „Zweistellige Wachstumsraten sind nicht unrealistisch“, sagt Mei. Allerdings hat der Online-Handel seine eigenen Gesetze. „WACKER hat viel Erfahrung im B2B-Bereich und ist dort gut etabliert. Aber im B2C-Geschäft dreht sich alles um die Marke. Das unterscheidet solche Marktplätze grundlegend von den Plattformen, mit denen wir es sonst zu tun haben“, betont Cao, der seit fast einem Jahrzehnt Distributoren und Händler in ganz China betreut.

E-Commerce light

Erste E-Commerce-Erfahrungen sammelte WACKER 2015 auf dem Marktplatz Taobao. Die Plattform, eine Art chinesisches eBay, gehört mit 500 Millionen registrierten Besuchern zu den meist­besuchten Internetseiten der Volksrepublik. 2018 folgten Online-Stores auf Jingdong und Tmall, den beiden größten B2C-Markt­plätzen Chinas. Seit 2022 sind WACKER Produkte auch auf Suning, einer Art chinesischem Amazon, der Plattform Pinduoduo und auf TikTok erhältlich, das in China auch eine eigene Shopping-App bietet. Nutzer können dort Produkte gleich online erwerben, ohne zu einem E-Commerce-Marktplatz wechseln zu müssen.

Videoblogger in den sozialen Online-Netzwerken (Foto)
Interdisziplinäres Team: PR-Expertin Sijie Xiao (rechts) betreut Videoblogger in den sozialen Online-Netzwerken. Unterstützt wird sie von Marketing Manager Rula Wang (links) und Distributionsexperte Qiang Cao.

Das neue Vertriebsmodell war anfangs kein Selbstläufer. „Unser Material war gut, aber unsere Marke noch zu wenig bekannt“, er­innert sich Cao. Erst als die Distributoren mehr Werbung schalte­ten und das Team den Fokus auf Alkoxysilicone für Innendeko-An­wendungen legte, stiegen die Verkaufszahlen. Als besonders effektiv erwiesen sich dabei sogenannte Livestream-Shows, die inzwischen jede größere E-Commerce-Plattform in China anbietet. In solchen Dauerwerbesendungen werden exklusiv Produkte einer Marke beworben, beispielsweise Siliconkartuschen von WACKER. Fragen der Zuschauer im Live-Chat werden während der Sendung in Echtzeit beantwortet.

Die Investitionen machen sich bezahlt. Bei der Internetsuche landen die Kartuschen mit dem WACKER Logo und der eingeblendeten Deutschlandfahne regelmäßig auf den ersten Plätzen. „‚Made in Germany’ ist für viele Chinesen immer noch ein Qualitätssiegel. Davon profitieren auch unsere Produkte“, sagt Wang. Bei Online-Händlern haben die WACKER Kartuschen mittlerweile sogar Kultstatus, sagt Distributionsmanager Qiang Cao. „Manche vergleichen das WACKER Label gar mit Apple.“

Do it yourself

Seit 2023 lotet das Vertriebsteam auch die Möglichkeiten von Social Media aus. Besonders interessant sind Do-it-yourself-Videos auf Plattformen wie etwa Xiaohongshu. Dort erfahren auch handwerklich unbegabte Eigenheimbesitzer, wie man eine Fuge perfekt abdichtet und mit welchem Silicon das garantiert gelingt. Solche Produktempfehlungen sind Gold wert, weshalb in jüngster Zeit die Zusammenarbeit mit Do-it-yourself-Experten immer breiteren Raum für das Projektteam einnimmt – auch im Marketing.

Das gilt ganz besonders für Sijie Xiao. Die PR-Expertin, zu deren Aufgaben die Unternehmens- und Marketingkommunikation zählt, ist erste Anlaufstelle für Social Media-Anfragen. Drei Plattformen bilden derzeit den Schwerpunkt ihrer Arbeit: WeChat, wo Unternehmens- und Produktnachrichten veröffentlicht werden, TikTok und Xiaohongshu, die auch für Influencer-Marketing genutzt werden. „Der Erfolg unserer Arbeit lässt sich nicht in Umsatzzahlen messen“, betont Xiao. „Es geht vielmehr darum, WACKER als starke Marke zu etablieren und ihren Wert durch positive Bewertungen signifikant zu fördern.“

Der Erfolg des neuen Geschäftsmodells in China könnte ebenso eine Blaupause für andere Regionen sein. Das sieht auch Qiang Cao so, der bereits an weiteren Online-Modellen tüftelt. „Wir möchten mit unserem Beispiel auch gerne andere Teams im globalen WACKER Netzwerk ermutigen, die Möglichkeiten des Internets für die Direktvermarktung ihrer Produkte vor Ort konsequent auszuloten.“