180
Mio. € investiert WACKER pro Jahr in Forschung und Entwicklung
Martina Schulze-Adams leitet die zentrale Konzernforschung von WACKER und das Consortium in München. Mit Weitsicht und Pioniergeist treibt sie gemeinsam mit ihrem Team Innovationen voran und stellt so sicher, dass WACKER an der Spitze des technologischen Fortschritts bleibt.
Frau Schulze-Adams, WACKER zählt mit zu den forschungsintensivsten Chemieunternehmen weltweit. An welchen Themen arbeiten Sie gerade in der Konzernforschung?
Vieles dreht sich momentan um Nachhaltigkeit. Ein Großteil unserer Forschungsprojekte zahlt auf das Thema ein. Besonders viel investieren wir auch in den Bereich Biotechnologie. Über die Hälfte unserer Laborkapazitäten am Consortium ist inzwischen diesem Thema gewidmet. Und es geht noch weiter: 2025 eröffnen wir hier am Standort ein neues Biotechnologie-Zentrum. Mit dieser Investition im zweistelligen Millionenbereich stärken wir die Konzernforschung bei WACKER weiter.
Eines möchte ich aber ausdrücklich betonen: Forschung sollte nie Selbstzweck sein, sondern WACKER als Unternehmen weiterbringen. Das war der Gründungsgedanke des Consortiums und das ist nach wie vor unser Anspruch. Mit unseren Innovationen wollen wir die Welt ein Stück weit besser machen. Das ist unser Purpose. Dabei gilt es, sich einerseits konsequent an den Markt- und Kundenbedürfnissen auszurichten, andererseits aber auch immer einen klaren Geschäfts- und Finanzfokus sicherzustellen.

Wie viel investiert WACKER insgesamt in Forschung und Entwicklung?
Pro Jahr über 180 Millionen €. Weltweit laufen bei WACKER aktuell rund 350 Forschungsprojekte. Damit sichern wir unsere langfristige Geschäftsgrundlage. Wir unterstützen alle Geschäftsbereiche. Im Bereich Polymers geht es beispielsweise primär darum, unsere Produkte ständig weiterzuentwickeln und neue Anwendungen zu erschließen. Ansonsten werden wir austauschbar. Im Bereich Polysilicon liegt der Fokus vor allem auf Prozessverbesserungen und der Frage, wie wir die Reinheit unserer Produkte weiter erhöhen können. Gerade bei unseren Halbleitermaterialien müssen wir sicherstellen, dass wir immer an der Spitze stehen. Grundsätzlich gilt das aber für all unsere Aktivitäten: Wir forschen, um am Markt einen Technologievorsprung zu haben.
Leichter gesagt als getan: Wie generieren Sie neue Ideen?
Dafür gibt es kein Patentrezept. Am Ende ist es ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren. Natürlich schauen wir systematisch nach großen Trendthemen wie Nachhaltigkeit oder künstliche Intelligenz. Dazu gehört auch, dass wir regelmäßig Forschungskonferenzen und Kongresse besuchen. Das klassische Studium von wissenschaftlichen Publikationen ist ebenso wichtig. Oft höre ich: Ich habe da mal was gelesen, das könnte uns weiterbringen. Einige Ideen entstehen auch zufällig, beim Mittagessen oder bei einem Meeting. Jemand bekommt zum Beispiel mit, dass die Biologen eine Chemikalie zum Oxidieren verwenden, und schlägt stattdessen vor, das elektrochemisch zu machen; mit dem Effekt, dass es nicht nur sauberer, sondern mit grünem Strom auch nachhaltiger wird. Hier zeigt sich zugleich der große Vorteil des Consortiums: Von der Molekularbiologie über die organische Chemie bis hin zur Elektrochemie kommen ganz verschiedene Disziplinen zusammen. Das ist für alle bereichernd.
Das WACKER Consortium im Überblick
- Zentrale Konzernforschung von WACKER
- 1903 gegründet in Nürnberg
- Umzug nach München 1918
- Rund 200 Mitarbeitende
- Schwerpunkte: Biotechnologie, Grundlagenarbeiten zu Elektrolyse, Silanchemie sowie Prozess- und Produktverbesserungen

Inwieweit kooperieren Sie auch mit externen Forschungspartnern?
Auch wenn wir bei WACKER einen enormen Erfahrungs- und Wissensschatz haben, gibt es natürlich Grenzen. Diese gilt es zu überwinden. Daher ist es wichtig, dass wir offen sind, indem wir auch mit Universitäten, Forschungseinrichtungen, Start-ups sowie anderen Unternehmen und Industrien eng kooperieren. Genau das tun wir. Wir haben 45 wissenschaftliche Kooperationen. Vor zwei Jahren gründeten wir das TUM-WACKER-Institut für industrielle Biotechnologie an der Technischen Universität München. Dort laufen derzeit 20 Doktorarbeiten. Darüber hinaus betreuen wir hier am Consortium noch etliche weitere Doktoranden anderer Universitäten und Forschungseinrichtungen.
Welche Schwerpunkte setzen Sie in der Zusammenarbeit mit externen Partnern?
Für uns gewinnt vor allem die Sektor-Kopplung weiter an Relevanz, also die Zusammenarbeit über verschiedene Industrien hinweg. Zum Beispiel, wenn wir uns mit Experten der Stahlindustrie oder der Zementindustrie zusammentun, um an besseren Recycling-Verfahren zu arbeiten. Das Reallabor in Burghausen ist ein sehr gutes Beispiel für die Sektor-Kopplung. Dort haben sich Unternehmen verschiedener Branchen zusammengeschlossen, um am nachhaltigen Einsatz von Wasserstoff zu forschen.
In der Forschung schauen Sie fünf bis zehn Jahre oder noch weiter voraus. Bis aus einer Idee ein konkretes Produkt wird, vergeht also eine lange Zeit. Worauf kommt es auf dieser langen Wegstrecke vor allem an?
„Forschung sollte nie Selbstzweck sein, sondern WACKER als Unternehmen weiterbringen.”
Weitblick und ein langer Atem sind schon wichtig. Zum Glück ist WACKER ein langfristig orientiertes Unternehmen, das nicht nur auf das kommende Quartalsergebnis schaut. Dadurch können wir Forschungsprojekte langfristig angehen. So sind viele unserer Projekte auf drei bis fünf Jahre angelegt. Für mich als Forscherin ist das ein großer Vorteil. Ich bin aber auch Managerin. Das heißt: Wir müssen ebenso den Mut und die Konsequenz haben, Projekte zu beenden, wenn wir sehen, dass wir nicht zum gewünschten Ziel kommen. Sei es, dass sich Kunden- und Marktpräferenzen auf dem Weg verschieben, dass wir an technische Grenzen stoßen oder unsere gesteckten Geschäfts- und Finanzziele nicht mehr realisierbar sind. Dieser Spagat zwischen Forscherin und Managerin ist nicht immer einfach, aber am Ende ist es auch genau das, was mich an diesem Job so reizt.
