Innovationen

Ideen, die Zukunft schaffen

Biomoleküle im Kopierer

Biosimilars sind Nachahmerprodukte ehemals patentgeschützter Biopharmazeutika, also biotechnologisch hergestellter Arzneimittel. Im Gegensatz zu Generika, der wirkstoffgleichen Kopie eines synthetisch hergestellten Markenmedikaments, unterscheiden sich Biosimilars von ihrem „Original“. Sie ähneln zwar ihrem Referenzprodukt, sind aber nicht exakt identisch. Dennoch garantiert ein spezielles Zulassungsverfahren für Biosimilars, dass diese genauso wirksam und sicher sind wie die Referenzarznei. Dass nachgeahmte Biopharmazeutika dem Original nur ähnlich sein können, liegt an ihrer Komplexität und Molekülgröße – sowie ihrem Herstellungsprozess: Sie lassen sich nur von lebenden Zellen wie Mikroorganismen erzeugen. Der Produktionsweg spielt bei Biosimilars – im Vergleich zu klassischen Generika – eine viel größere Rolle. Das beginnt bereits bei der genetisch modifizierten Mikroben-Art, die die Hersteller des Originals geheim halten und die deswegen nie exakt nachgeahmt werden kann.

Biosimilars – Zukunftsfeld mit Wachstumspotenzial

WACKER stellt bereits in Zusammenarbeit mit einem großen asiatischen Konzern ein Biosimilar im Kundenauftrag her, das zur Behandlung der altersbedingten Makuladegeneration, bei der die Netzhaut des Auges erkrankt, eingesetzt wird. Ein Zukunftsfeld mit enormen Wachstumspotenzialen, da in den nächsten Jahren zahlreiche Patente der meist recht teuren Biopharmazeutika auslaufen. Das eröffnet den Markt und Wettbewerb für Biosimilars, die meist kostengünstiger als ihre Originale sind – und damit für die Gesundheitssysteme und Patienten erschwinglicher. Das setzt aber einen guten und effizienten biotechnologischen Prozess voraus. Die WACKER-Verfahren können genau das leisten: Sie stehen für eine schnelle Produktion hochqualitativer Biopharmazeutika – und punkten gleichzeitig mit niedrigen Kosten.

Bibliothek auf Wachstumskurs

Vom Gen zum Wirkstoff in vier Wochen – mit ESETEC®, dem von WACKER entwickelten und patentierten Expressions- und Sekretionssystem, ist das möglich. Die -Plattform basiert auf dem Bakterienstamm Escherichia coli K12 und einer Serie von Plasmiden, also kleinen ringförmigen Genfragmenten.

Einfache und effiziente Ernte

Für WACKER ist es eine permanente Aufgabe, dieses leistungsfähige und innovative Produktionssystem für Biopharmazeutika weiter zu verbessern und für die Herstellung neuer Protein- und Wirkstoffklassen mit nützlichen Fähigkeiten auszustatten. Ein Blick in die Bakterienzelle verdeutlicht die Ansatzpunkte: Mit gentechnischen Methoden ist es möglich, beispielsweise den Stoffwechsel der Mikroorganismen zu modifizieren, damit diese den erzeugten Wirkstoff zu einem bestimmten Zeitpunkt oder infolge eines Impulses aus ihrem Zellinneren schleusen. So lässt sich das Biopharmazeutikum einfach und effizient ernten. Ein anderes Ziel ist es, so genannte Proteasen gezielt auszuschalten und so die Produktion zu steigern. Der Hintergrund: Die bakterieneigenen Enzyme zerlegen die gewünschten Proteine teilweise wieder in ihre Aminosäurebausteine und dezimieren so die Ausbeute. Es wird daran gearbeitet, das zu verhindern. Mit diesen und weiteren Verbesserungen wird das ESETEC®-Produktionssystem noch leistungsfähiger, vielfältiger und robuster.

Petrischalen zur Kultivierung von Mikroorganismen (Foto)

Petrischalen zur Kultivierung von Mikroorganismen.

Bakterien in Petrischale (Foto)

Bakterien wie E. coli dienen als Ausgangspunkt für die Herstellung von Biopharmazeutika.

Chromatographie am Standort Jena (Foto)

Chromatographie am Standort Jena.

Fermentation am Standort Amsterdam (Foto)

Fermentation am Standort Amsterdam.

Lebende Bakterien als Arznei (Icon)

Lebende Bakterien als Arznei

Wir sind nie allein, denn auf und in unserem Körper leben etwa 38 Billionen Bakterien. Zum Vergleich: Mit nur 30 Billionen sind menschliche Zellen sogar in der Minderheit. Dieser Bakterienzoo – Experten sprechen vom Mikrobiom – beeinflusst unsere Gesundheit immens. Das Mikrobiom besteht aus nützlichen Bakterien, aber auch krankmachenden Keimen. Damit der Mensch gesund bleibt, muss die Balance stimmen. Forscher suchen deswegen nach einer neuen Generation von Probiotika, also hilfreichen Mikroben, die das Immunsystem positiv beeinflussen und als pharmazeutisch aktiver Wirkstoff sogar Heilungspotenzial besitzen.

Projekte dazu laufen am neuen WACKER-Standort in Amsterdam: Hier beschäftigen sich die BIOSOLUTIONS-Experten beispielsweise mit nützlichen Bakterien für zu früh geborene Babys. Die „guten“ Mikroben können „schlechte“ Keime beseitigen, die beispielsweise für lebensbedrohliche Nekrosen verantwortlich sind, und verhelfen den Frühchen zu einem gesunden Start ins Leben. Andere speziell designte Bakterien können Wachstumsfaktoren produzieren, die die Wundheilung fördern und so zum Beispiel Amputationen bei Diabetikern verhindern. Solche Bakterien zählen zu den so genannten Probiotika. In Zukunft will sich WACKER diesem Medizintrend verstärkt widmen und Kundenprojekte gewinnen.

Eine Schatzkiste voller Ideen (Icon)

Eine Schatzkiste voller Ideen

Die wichtigsten Ressourcen für Innovationen sind bei WACKER die Ideen in den Köpfen der Mitarbeiter. Dr. Oliver Minge und sein elfköpfiges Team sorgen dafür, dass im Bereich WACKER BIOSOLUTIONS die richtigen Ideen identifiziert und weiterentwickelt werden – sodass daraus neue Innovationen entstehen können.

Im Rahmen eines systematischen Innovationsmanagements müssen Ideen zunächst ein strenges Auswahlverfahren bestehen. Lediglich zehn Prozent nehmen diese erste Hürde. Danach durchlaufen die Kandidaten einen mehrstufigen Innovationsprozess, der zwischen einem halben Jahr und fünf Jahren dauern kann. Meilensteine werden definiert und müssen in festgelegten Zeit- und Budgetrahmen erreicht werden. Im Idealfall steht am Ende die Skalierung und Markteinführung eines neuen oder weiterentwickelten Produkts.

„Bei unseren Projekten liegt der Fokus auf Biopharmaka und Ernährung.“

Dr. Oliver Minge, Leiter des Innovations-Teams bei WACKER BIOSOLUTIONS
Im Austausch mit den Geschäftseinheiten – 1 (Foto)

Im Austausch mit den Geschäftseinheiten werden bei WACKER die Produkte und Anwendungen von morgen entwickelt.

Im Austausch mit den Geschäftseinheiten – 2 (Foto)

„Wir sind aber nicht die Einzigen, die sich bei BIOSOLUTIONS um Innovation kümmern“, sagt Minge, der das Innovations-Team seit eineinhalb Jahren leitet. Auch Chemiker, Biologen, Biochemiker, Verfahrenstechniker, Lebensmitteltechnologen, Laboranten und Chemisch-Technische Assistenten in den Regionen und den einzelnen Abteilungen treiben Neuerungen voran. „Sie sind nah am Kunden, wissen um die regionalen Besonderheiten und werden von uns unterstützt“, erklärt Minge. Rund 30 Innovationstreiber kommen so zusammen.

Partner im Innovationsprozess

Sie entscheiden gemeinsam mit den betroffenen Geschäftseinheiten, welche Ideen es in den Innovationsprozess schaffen. „Kommt eine Idee bei uns an, entwickeln wir sie bis zu einem gewissen Punkt – dann wird entschieden, ob sie den WACKER-Fit hat“, sagt Minge. Mit WACKER-Fit meint er, dass die Idee zu WACKER passt, was Technologie, Rohstoffe, Märkte und Vertriebskanäle angeht. Geklärt werden muss auch, ob die Relation zwischen Kosten und Nutzen stimmt, ob bestehende Patente die Entwicklung blockieren könnten und ob die Zeit auch reif ist für ein Produkt.

Etwa 30 Projekte laufen momentan. Drei Viertel davon werden gemeinsam mit Partnern vorangetrieben – das können Forschungseinrichtungen, Universitäten, Start-ups oder auch Kunden sein. Der Fokus liegt auf Biopharmaka und Ernährung. Eine strategische Entscheidung. „Wir achten außerdem darauf, dass wir eine gute Mischung haben aus vielen kleineren Projekten, die nah am WACKER-Geschäft sind, und ein paar disruptiven Projekten, die Neuland erschließen sollen“, erklärt Minge.

Wird eine Idee verworfen – oder scheitert im Innovationsprozess –, wandert sie nicht in den Papierkorb, sondern ins Ideen-Archiv, das Minge angelegt hat. Rund 50 Ideen warten hier darauf, vielleicht irgendwann wieder aus der Schublade geholt zu werden – wenn die Zeit reif ist.

Biotechnologie
Biotechnologische Verfahren nutzen lebende Zellen oder Enzyme zur Stoffumwandlung und Stoffproduktion. Je nach Anwendung wird zwischen roter, grüner und weißer Biotechnologie unterschieden: Rote Biotechnologie: medizinisch-pharmazeutische Anwendung. Grüne Biotechnologie: landwirtschaftliche Anwendung. Weiße Biotechnologie: biotechnologisch basierte Produkte und Industrieprozesse, z. B. in der Chemie sowie der Textil- und Lebensmittelbranche.

Vorjahresvergleich