Sehr geehrte Damen und Herren Aktionäre,
das Jahr 2015 war geprägt von geopolitischen Spannungen in unterschiedlichen Regionen, einer schwächer als erwartet ausgefallenen Wirtschaftsleistung in China, einem starken Verfall des Ölpreises und einem im Vergleich zum US-Dollar schwachen Euro. Das alles hat zu einer hohen Volatilität und zu Unsicherheiten an den Märkten geführt.
In diesem Umfeld haben wir unsere Ziele, die wir uns beim Umsatz und für die Ergebniszahlen im Geschäftsjahr 2015 gesteckt hatten, erreicht und teilweise sogar übertroffen. Erstmals in der Geschichte unseres Unternehmens ist der Umsatz über die Marke von fünf Milliarden Euro gesprungen. Mit 5,30 Milliarden Euro war er knapp zehn Prozent höher als im Vorjahr. Positive Währungseffekte und Mengensteigerungen in allen unseren Geschäftsbereichen waren dafür verantwortlich.
Das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) – ohne Sondererträge aus einbehaltenen Anzahlungen und Schadenersatzleistungen von Kunden aus der Solarindustrie – ist gegenüber dem Vorjahr deutlich gestiegen. Besser als erwartet haben wir beim Jahresergebnis abgeschnitten. Statt einem angenommenen Rückgang hat sich der Jahresüberschuss auf mehr als 240 Millionen Euro erhöht.
Wir wollen Sie, als unsere Aktionäre, an dieser positiven Geschäftsentwicklung beteiligen. Aufsichtsrat und Vorstand werden der Hauptversammlung im Mai eine Dividende von 2,00 Euro vorschlagen. Gegenüber dem Vorjahr ist das ein Anstieg von 33 Prozent. Insgesamt schütten wir damit 40 Prozent des Jahresüberschusses an Sie aus.
Die Nettofinanzschulden sind nicht wie geplant gestiegen, sondern mit 1,07 Milliarden Euro auf dem Niveau des Vorjahres geblieben. Dabei geholfen hat uns natürlich der Mittelzufluss aus dem Börsengang der Siltronic AG. Die Investitionen von 830 Millionen Euro konnten aus den laufenden Cash-Einzahlungen finanziert werden.
2015 war ein bewegtes Jahr für WACKER. Im Juni haben wir Anteile an unserer bis dahin 100-prozentigen Tochtergesellschaft Siltronic AG an die Frankfurter Börse gebracht. Das ist der erste Schritt, um mittelfristig weitere Anteile an der Siltronic abzugeben und die Kapitalintensität des WACKER-Konzerns zu verringern.
Mit Hochdruck haben wir daran gearbeitet, unseren neuen Standort Charleston im US-Bundesstaat Tennessee fertigzustellen und mit der Produktion von Polysilicium zu beginnen. Anfang Januar dieses Jahres sind die ersten Mengen Polysilicium in hervorragender Qualität produziert worden. Mittlerweile haben wir die Produktionsleistung planmäßig nach und nach erhöht.
Ein solches Werk – gebaut auf der grünen Wiese – mit all seiner technischen Komplexität in Betrieb zu nehmen, ist eine große Herausforderung für das Unternehmen und eine gewaltige Aufgabe für alle Beteiligten. Ich möchte – auch im Namen des gesamten Vorstands – allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für ihre unglaubliche Einsatzbereitschaft und ihre Leistung herzlich danken.
Besonders stark hat sich im abgelaufenen Geschäftsjahr unser Chemiegeschäft entwickelt. Über 3,3 Milliarden Euro Umsatz und ein EBITDA, das mit einem Zuwachs von 38 Prozent auf rund 530 Millionen Euro deutlich stärker zulegen konnte als der Umsatz. Diese Entwicklung zeigt: Wir haben die richtigen Produkte für die globalen Märkte.
Unser Polysiliciumgeschäft hat sich angesichts niedrigerer Preise und der Anlaufkosten von rund 90 Millionen Euro für die Inbetriebnahme unseres neuen Standorts Charleston sehr ordentlich entwickelt. Wichtig für uns war: Unsere Produktionskapazitäten waren voll ausgelastet, wir konnten unseren Mengenabsatz weiter steigern und haben unsere Herstellungskosten weiter gesenkt.
In unserem Siliciumwafergeschäft konnten wir unseren Umsatz deutlich steigern und das Ergebnis leicht verbessern, obwohl sich im zweiten Halbjahr die Absatzentwicklung eingetrübt hat. Auch hier haben wir mit beachtlichen Kostensenkungen niedrigere Preise ausgleichen können.
Die Fertigstellung der Polysiliciumproduktion in Tennessee markiert einen Wendepunkt. Unsere Investitionen verringern sich in den folgenden Jahren signifikant und das Zahlenwerk von WACKER wird geprägt sein von einem deutlichen Cashflow-Anstieg.
Unser Investitionsfokus liegt künftig auf Anlagen für die Herstellung von Zwischen- und Endprodukten in unseren Chemiebereichen, mit denen wir unsere Wachstumschancen auf allen wichtigen Märkten ausschöpfen wollen.
Im letzten Aktionärsbrief vor einem Jahr habe ich geschrieben, dass wir überall auf der Welt derzeit Entwicklungen beobachten, deren Ausgang für uns nicht vorhersehbar oder gar planbar ist. Dieser Zustand gilt unverändert. Im Gegenteil: Die Risiken haben weiter zugenommen und eine dauerhafte Lösung der geopolitischen Konflikte ist nicht in Sicht.
Unter der Voraussetzung, dass sich die weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht noch weiter verschlechtern, bleiben wir optimistisch für unser Geschäft im Jahr 2016, auch wenn uns bewusst ist, dass ein herausforderndes Jahr vor uns liegt. Wir wollen im Umsatz erneut zulegen und sehen vor allem in unserem Chemiegeschäft weitere Zuwachsraten. Die Nachfrage für Polysilicium wird auch 2016 steigen, so dass wir trotz bestehender Überkapazitäten auf der Herstellerseite davon ausgehen, unsere Mengen am Markt verkaufen zu können. Was bleibt, sind die regulatorischen Unsicherheiten in Bezug auf bestehende Antidumpingverfahren. Das Geschäft mit Siliciumwafern ist verhalten in das neue Jahr gestartet, so dass wir hier im Moment vorsichtig sind, wie sich vor allem der Umsatz im Jahr 2016 tatsächlich entwickeln wird. Die Digitalisierung – Stichwort Industrie 4.0 – eröffnet neue Anwendungsbereiche, bei denen mit Sicherheit Silicium als Basismaterial zum Einsatz kommen wird.
Das EBITDA soll auf vergleichbarer Basis ohne Sondererträge leicht steigen. Höhere Abschreibungen auf Grund der Investitionen in den vergangenen Jahren werden das Jahresergebnis verringern. Auf Grund der niedrigeren Investitionen wird der Netto-Cashflow allerdings im Jahr 2016 deutlich ansteigen.
Das breite Spektrum von hochentwickelten Produkten für die wichtigsten Schlüsselindustrien ist, wie Sie wissen, eine große Stärke von WACKER. Wir zeichnen uns aber noch durch etwas anderes aus. Wir suchen ständig nach neuen Lösungen – Beispiel 3D-Druck. Wir haben ein neues Verfahren entwickelt, mit dem sich erstmals Objekte im 3D-Druck aus Silicon fertigen lassen. Dieses Verfahren eröffnet vor allem in den Bereichen Automobil, Medizin, Optik und im Haushalt neue Anwendungsfelder, von denen wir profitieren wollen.
Innovationen sind ein wesentlicher Treiber für unser Geschäft. Unser Motto lautet deshalb bewusst: „Creating tomorrow’s solutions“. Ich füge hinzu: „today“. Diesen hohen Anspruch an uns selbst werden wir weiter fortsetzen. Viele Produkte, die wir heute noch gar nicht kennen, die erst erfunden oder zur Marktreife gebracht werden müssen, werden mit Sicherheit in Teilen von WACKER stammen.
Der zweite wesentliche Treiber für unser Geschäft ist unsere Präsenz in den wichtigsten Wirtschaftsregionen der Welt. Hier werden wir gezielt unser Netz aus technischen Kompetenzzentren, fachspezifischen Trainings in der WACKER Academy und der Direktansprache vor Kunden aus der Bauindustrie mit unseren mobilen Testlaboren ausbauen.
Die Potenziale, die sich daraus für uns ergeben, sind noch lange nicht erschöpft. Wir sind davon überzeugt, WACKER besitzt gute Perspektiven, weiter erfolgreich zu wachsen.
Das Fundament, auf dem dieser wirtschaftliche Erfolg beruht, ist die vertrauensvolle und verlässliche Zusammenarbeit inner- und außerhalb des Unternehmens. Für das Vertrauen, das unsere Aktionäre, Kunden und Lieferanten uns entgegenbringen, möchte ich mich auch im Namen meiner Vorstandskollegen bedanken. Mit Ihnen allen zusammen wollen wir das Unternehmen WACKER weiter nach vorne bringen.
München, im März 2016
Dr. Rudolf Staudigl
Vorsitzender des Vorstands der Wacker Chemie AG