Eddyville – Der Schatz von Eddyville
Inmitten der Maisfelder des Mittleren Westens stellt WACKER Cyclodextrine her. Bisher wurden die Zuckermoleküle aus Mais vor allem in Raumsprays eingesetzt, die unangenehme Gerüche verkapseln. Jetzt spielen sie auch in Nahrungsmitteln ihre vielfältigen Vorteile aus.
Region Amerika
Der Schatz von Eddyville
Inmitten der Maisfelder des Mittleren Westens stellt WACKER Cyclodextrine her. Bisher wurden die Zuckermoleküle aus Mais vor allem in Raumsprays eingesetzt, die unangenehme Gerüche verkapseln. Jetzt spielen sie auch in Nahrungsmitteln ihre vielfältigen Vorteile aus.
Produkt
Cyclodextrine
Mitarbeiter
20
Fläche
145.000 m2
Der Schatz von Eddyville ist in einer unscheinbaren Kühltruhe verborgen. Nur das Schloss lässt vermuten, dass sich in ihr etwas Wertvolles verbirgt. Es sind patentierte Bakterienstämme, die spezielle Hightech-Enzyme produzieren. Bei -78 Grad Celsius warten sie portionsweise eingefroren auf ihren Einsatz.
Cyclodextrine sind universell einsetzbar
Seit 1999 stellt WACKER im US-Bundesstaat Iowa mitten im größten Maisanbaugebiet der Welt mit Hilfe dieser Hightech-Enzyme Cyclodextrine her, natürlich vorkommende Kohlenhydrate aus Maisstärke. Die ringförmigen Zuckermoleküle können in ihrem Inneren andere Substanzen aufnehmen. So neutralisieren sie etwa in Raumsprays unangenehme Gerüche. Cyclodextrine maskieren aber auch den bitteren Geschmack von grünem Tee oder sorgen dafür, dass bestimmte Vitamine vom Körper besser aufgenommen werden. „Es gibt kaum ein Produkt, das so universell einsetzbar ist“, schwärmt Dr. Susanne Leonhartsberger, die bei WACKER BIOSOLUTIONS für den amerikanischen Markt zuständig ist. Sie rechnet in den nächsten Jahren mit zweistellig wachsenden Umsätzen.
Ihr Kollege Dr. Helmut Reuscher, Sales & Technology Director Americas, hat sich in den letzten Monaten im US-Hauptquartier in Adrian besonders mit Alpha- und Gamma-Cyclodextrinen beschäftigt. Diese beiden Moleküle sind komplizierter herzustellen als die bewährte Beta-Variante, sie können aber auch mehr. Daher liefern die beiden Varianten eine deutlich höhere Wertschöpfung. WACKER ist als einziger Hersteller weltweit in der Lage, alle drei natürlichen Cyclodextrine in großen Mengen herzustellen.
In seinem Labor, das mit dem großen Herd an der Rückwand eher wie eine Versuchsküche als ein Forschungslabor aussieht, werden neue Anwendungen entwickelt und patentiert. Dort haben Reuscher und sein Team zum Beispiel entdeckt, dass Alpha-Cyclodextrine eine ideale Zutat für die Backindustrie sind. Mit seiner Hilfe können die Hersteller ungesunde Hartfette in Kuchenglasuren durch Pflanzenöl ersetzen. In einem Becher rührt der Quirl der Küchenmaschine aus Sonnenblumenöl, Wasser und ein wenig weißem Cyclodextrinpulver eine kompakte Masse zusammen. Eine ideale Lösung für heiße Länder, so Reuscher, denn die Glasuren schmelzen auch bei hohen Raumtemperaturen nicht.
Alpha-Cyclodextrin ist für die Lebensmittelindustrie auch interessant als Emulgator oder Aufschlaghilfe. Mit seiner Hilfe lassen sich Wasser und Öl ganz ohne Eigelb zu mayonnaiseartigen Produkten schlagen. Es ist nicht nur komplett unbedenklich, sondern bietet als gesunder löslicher Ballaststoff auch viele Vorteile für Nahrungsmittelprodukte. Cyclodextrin braucht nicht einmal eine E-Nummer. Auch Desserthersteller profitieren. Helmut Reuscher holt ein Gläschen mit zartrosa Himbeermousse aus dem Labor-Kühlschrank. „Da ist kein Gramm Fett oder Eiweiß drin, nur Fruchtpüree und Zucker“, versichert der Chemiker, den die Cyclodextrine auch nach jahrzehntelanger Arbeit immer noch begeistern.
Wie sich die Moleküle in der einen oder anderen Anwendung tatsächlich durchsetzen, hängt schließlich vom Markt ab. „Aber wir haben den Markt und die Kundenbedürfnisse beobachtet und Cyclodextrine sind so universell und in so vielen Bereichen einsetzbar, dass ich für die Zukunft sehr optimistisch bin“, meint er.
Schon jetzt ist das Team in Eddyville die Hälfte des Jahres mit der Produktion der hochwertigen Alpha- und Gamma-Cyclodextrine beschäftigt. Dabei profitiert WACKER von einem entscheidenden Technologievorsprung: Die Bakterienstämme aus der Kühltruhe produzieren Enzyme, die passgenau die jeweilige Variante aus der Maisstärke heraustrennen. „Wenn wir diese selektiven Enzyme nicht hätten, bekämen wir eine Mischung aus Alpha-, Beta- und Gamma-Cyclodextrinen, mit der man wenig anfangen könnte“, erklärt Helmut Reuscher.
Frische Maisstärke aus dem Werk nebenan
Viermal am Tag liefert ein Tanklastwagen warme Maisstärke. Sie kommt aus einem Werk direkt nebenan. Ein Agrarunternehmen produziert hier Maissirup und Ethanol. „Für uns ist es wichtig, frische Stärke zum genau richtigen Zeitpunkt zu bekommen“, sagt Susanne Leonhartsberger. Die Nähe zu diesem Rohstofflieferanten sei daher ideal.
Die fertigen Cyclodextrine gehen zum größten Teil an Kunden in den USA, aber auch in den globalen Verkauf. Seit 2013 ist die Produktionsmenge um mehr als 40 Prozent gestiegen. Für die Mitarbeiter war das ein Kraftakt, weiß Susanne Leonhartsberger. Die Bakterien aus der Tiefkühltruhe haben mit dem Wachstum zum Glück wenig Probleme. Sie brauchen nur genügend Nahrung und Sauerstoff. Dann vermehren sie sich von ganz alleine.