Calvert City – 4.000 Tanklaster voll

In Calvert City hat gerade einer der größten Dispersionsreaktoren der Welt seinen Betrieb aufgenommen. WACKER hat hier rund 50 Millionen Euro investiert. Die neue Anlage macht deutlich, dass der Markt für Polymere in Amerika noch lange nicht ausgereizt ist.

Präsenz stärken. Märkte ausbauen.

Region Amerika

Titel Calvert City (Grafik)Titel Calvert City (Grafik)

4.000 Tanklaster voll

In Calvert City hat gerade einer der größten Dispersionsreaktoren der Welt seinen Betrieb aufgenommen. WACKER hat hier rund 50 Millionen Euro investiert. Die neue Anlage macht deutlich, dass der Markt für Polymere in Amerika noch lange nicht ausgereizt ist.

Produkte

VINNAPAS® Dispersionspulver Polymerdispersionen

Mitarbeiter

Ca. 110

Fläche

60.000 m2

Mary Beth Hudson macht gerade einen ihrer Rundgänge über das Werksgelände. Sie ist frühmorgens unterwegs. Die Sonne hat die klare Luft von Kentucky noch kaum erwärmt, doch die Metallrohre, die über den Köpfen der Besucher den Weg zum neuen Reaktor weisen, werfen schon scharfe Schatten auf den Boden.

„Ich will mir anschauen, wie weit die Malerarbeiten am neuen Gebäude sind“, erzählt die Leiterin des Polymerstandorts in Calvert City. Die Fassade des neuen Reaktors, den die Mitarbeiter hier nur CC6 nennen, wird gerade im typischen WACKER-Hellgrau gestrichen. Innen läuft bereits seit Monaten alles nach Plan.

Hohe Produktqualität

Wer die Treppe im neuen Gebäude ganz nach oben steigt, sieht einen oberarmdicken Rührstab aus dem silberglänzenden Reaktorbehälter ragen. Mit 64 Umdrehungen pro Minute verquirlt er flüssiges Vinylacetatmonomer mit Ethylengas. 85.000 Tonnen Vinylacetat-Ethylen-Copolymer-Dispersion, besser bekannt als VINNAPAS®, kann der neue Reaktor im Jahr herstellen. Das sind mehr als 4.000 Tanklaster voll. Es dürfte weltweit keinen größeren Reaktor für VAE-Dispersionen geben. Zusammen mit den fünf bestehenden Reaktoren in Calvert City soll er die wachsende Nachfrage nach polymeren Bindemitteln in Nord- und Südamerika bedienen.

Im neuen Labor gleich nebenan analysieren zwei Mitarbeiter die strahlend weiße Dispersion, die aus dem neuen Reaktor kommt. Sie sind zufrieden. Seit CC6 im Sommer nach und nach hochgefahren wurde, stellt die Anlage Bindemittel höchster Qualität her. Kein Ausschuss, keine B-Ware. „Das ist superglatt gelaufen“, lächelt Werkleiterin Mary Beth Hudson.

Auch in ihrem Büro, mit Blick auf die Zahlen am Monitor, ist die Chefin zufrieden: Die beiden Sprühtrockner, die aus den Dispersionen Dispersionspulver machen, waren 2015 so gut ausgelastet wie zuletzt im Jahr 2007. Für 2016 rechnet die Chemieingenieurin hier mit einem neuen Rekord. Und auch bei den Dispersionen läuft es gut. Schon jetzt hält WACKER in der Region, die von Calvert City aus beliefert wird, bei den VAE-Dispersionen einen Marktanteil von 50 Prozent. Und die neue Kapazitätserweiterung macht deutlich, dass der amerikanische Markt für WACKER noch deutliches Wachstum verspricht.

Vielfältige Anwendungsgebiete

Die Dispersionen aus Calvert City werden nur zu einem relativ kleinen Teil vor Ort zu Dispersionspulver weiterverarbeitet. Das unterscheidet die Region von Europa oder Asien. Von Calvert City aus wird der Großteil der produzierten Dispersionen per LKW oder Güterzug an Kunden in Nord-, Mittel- und Südamerika geliefert. Dafür ist die Lage im Mittleren Westen der USA ideal. Während Bewohner der Ost- oder Westküste Kentucky als „Flyover-State“ verschmähen, den sie nur aus dem Flugzeugfenster kennen, schätzt WACKER die gute Anbindung über den Ohio River, die Schiene und das Straßennetz. „Von hier aus können wir drei Viertel unserer Kunden in ein paar Tagen erreichen“, sagt Mary Beth Hudson.

Produktportfolio (Logo)Produktportfolio (Logo)
WACKER POLYMERS

Produktportfolio

Klebstoffe (Foto)
Klebstoffe

Hervorragende Haftungseigenschaften auf schwierig zu verklebenden Oberflächen

Bau und Farben (Foto)
Bau und Farben

Leistungsstarke Fliesenkleber und emissionsarme Innenfarben

Vliesstoffe (Foto)
Vliesstoffe

Reißfestigkeit, Weichgriff und kontrollierte Saugfähigkeit

Teppich (Foto)
Teppich

Gute Faserverankerung und -haftung

„Die Leute sehen optimistisch in die Zukunft, sie geben wieder mehr Geld aus.“

Mary Beth Hudson

Die Kunden stellen mit dem Bindemittel geruchsarme, gut verträgliche Innenfarben, Klebstoffe auf Wasserbasis, reißfeste Vliesstoffe für Feuchttücher oder Küchenrollen und robuste Außenbeschichtungen her. Auch Teppichhersteller verwenden die Dispersion, um Teppichrücken und -fasern miteinander zu verbinden. In den USA ist vor allem das Geschäft mit den Farbenherstellern in den letzten Monaten stark gewachsen – und sorgt weiter für viel Optimismus.

Aktuell beflügeln die niedrigen Benzinpreise in den USA diesen Trend. „Die Leute sehen optimistisch in die Zukunft, sie geben wieder mehr Geld aus“, beobachtet Hudson. Farbenhersteller wie der Branchenprimus Sherwin-Williams rechneten mit zweistelligen Zuwächsen, erzählt sie.

Hudsons Kollege John Tacca hat im amerikanischen Polymerhauptquartier in Allentown, Pennsylvania, die Marktdaten noch genauer im Blick. Er ist für das Amerikageschäft mit den Polymeren verantwortlich. Tacca erzählt, dass 2015 in den USA vor allem die Verkaufszahlen bei Gebrauchtimmobilien stark gestiegen sind. „Und wer ein gebrauchtes Haus kauft, renoviert zuerst einmal und streicht die Wände“, freut er sich.

John Fotheringham, Leiter des weltweiten Dispersionsgeschäfts bei WACKER (Foto)

John Fotheringham, Leiter des weltweiten Dispersionsgeschäfts bei WACKER.

Arbeiter vor Reaktor (Foto)

Reibungsloser Betrieb: Seit der neue Reaktor CC6 im Sommer 2015 nach und nach hochgefahren wurde, produziert die Anlage Dispersionen in höchster Qualität.

Zufuhr über Pipeline (Foto)

Zukunftssichere Versorgung: Der wichtige Rohstoff Ethylen kommt jetzt nicht mehr per Güterzug, sondern über eine Pipeline.

„Wir wollen die Branchenführer als Kunden haben.“

John Tacca

Auch bei den Neubauten sei die Lage positiv, sagt Tacca. Die US-Statistikbehörde geht davon aus, dass 2015 mehr als eine Million privater Bauprojekte begonnen werden. Die Marktforscher von The Freedonia Group rechnen vor allem mit starkem Wachstum bei Farben, die wenig flüchtige organische Verbindungen enthalten. „Dieser Aspekt entwickelt sich in den USA immer mehr zum Standard – und speziell VAE-Bindemittel können da punkten“, sagt John Tacca.

Für ihn und sein Team ist die Zusammenarbeit mit besonders innovativen und erfolgreichen Kunden ein wichtiger Wachstumstreiber. „Wir wollen die Branchenführer als Kunden haben“, sagt er zielstrebig. Tacca erzählt zum Beispiel von einem der größten Farbenhersteller der USA, der seit kurzem eine Farbenkollektion auf Basis von VINNAPAS® anbietet. „Die Farben müssen sich wie verrückt verkaufen“, schwärmt er, „das merken wir an den Bestellungen.“ Denn in jedem Farbeimer ist ein ordentlicher Anteil an VINNAPAS®.

Auch in Mittel- und Südamerika laufe das Geschäft mit den Polymeren immer besser, erzählt John Tacca. In Ländern wie Mexiko, Brasilien oder Kolumbien würden viele Hersteller von Farben, Putzen oder Fliesenklebern noch ohne polymere Bindemittel arbeiten. Doch das Interesse an hochwertigen Produkten sei groß, in der aufstrebenden Mittelklasse und bei den Herstellern. Erst neulich, erzählt der US-Manager, habe er mit seinen Kollegen in Mexico City rund 100 potenzielle Kunden mit der Wirksamkeit von VINNAPAS® beeindruckt. Sie durften mit einem Fußball gegen zwei verputzte Wände schießen – eine mit und eine ohne polymere Bindemittel. „Die Wand ohne VINNAPAS® hatte hinterher ganz schöne Dellen“, freut sich Tacca.

„Schließlich ist der Gesamtmarkt für Bindemittel vierzehnmal so groß wie der VAE-Markt.“

John Fotheringham

Die Dispersionsstrategen um John Fotheringham in der Münchner Hauptverwaltung wollen mit den VAE-Bindemitteln auch Industrien erobern, in denen bisher andere Bindemittel wie etwa Acrylat, Styrolacrylat oder Styrolbutadien das Sagen haben. „Schließlich ist der Gesamtmarkt für Bindemittel vierzehnmal so groß wie der VAE-Markt“, erklärt Fotheringham. Der Brite ist Leiter des weltweiten Dispersionsgeschäfts bei WACKER.

Die Techniker im US-Labor arbeiten zum Beispiel an neuen Bindemitteln für die Papierherstellung, an Zusätzen für Asphalt und an Dichtstoffen für die Baubranche. „Wir wollen hier nicht nur preislich konkurrieren, sondern unsere Produkte so maßschneidern, dass unsere Kunden einen wirklichen Mehrwert haben“, sagt John Tacca. Er ist seit vielen Jahren im Geschäft und weiß genau: Die Kunden sind vorsichtig. Sie brauchen sehr gute Gründe, um ihre Fertigung von einer Technologie auf eine andere umzustellen.

Größte Anlage für VAE-Dispersionen in den USA

Mary Beth Hudson hat in letzter Zeit vielen neuen oder potenziellen Kunden das Werk in Calvert City gezeigt. Solche Besichtigungen machen Arbeit, gibt die Chefin von 140 Angestellten zu. „Aber es lohnt sich“, sagt sie gleich darauf. „Wenn ich die Leute hier durch die Anlagen führe, sind sie wirklich beeindruckt. Calvert City ist eben die größte Anlage dieser Art auf dem Kontinent.“

Nur manchmal machen sie die Neuentwicklungen der Kollegen aus dem Labor ein wenig unruhig. Wenn eine ganze Industrie schlagartig von einem Bindemittel auf ein anderes umschwenkt, kann das für die Produktion ein echter Härtetest sein. Doch dann lacht Mary Beth über sich selbst. Sie ist von allen Mitarbeitern in Calvert City am längsten bei WACKER und hat schon einige Herausforderungen bestanden. „Ich bin Ingenieurin“, sagt sie. „Ich liebe es, Probleme zu lösen.“