Strategie
„Wir halbieren unseren CO2-Ausstoß bis 2030“
Bis zum Jahr 2045 will WACKER klimaneutral sein. Vorstandschef Christian Hartel über die Hebel, die er dafür sieht, was er von den Lieferanten des Unternehmens erwartet und wie der Chemiekonzern seinen Kunden dabei hilft, klimaschonende Technologien auf den Markt zu bringen.
Im Gespräch mit Dr. Christian Hartel
Herr Hartel, WACKER hat sich neue Nachhaltigkeitsziele gesetzt. Warum jetzt, warum ist das so wichtig für ein Unternehmen wie WACKER?
CH: Ich glaube, der Klimawandel ist ein ganz dickes Brett und man braucht Firmen wie WACKER, die hier eine klare Position beziehen und sich ambitionierte Ziele setzen. Und das sind Ziele, die notwendig sind, damit wir den Klimawandel aufhalten und wir die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius begrenzen können.
Wo liegen die Unterschiede zu den bisherigen Zielen?
CH: Der wesentliche Unterschied liegt darin, dass wir von spezifischen Zielen zu absoluten Zielen wechseln. Bis jetzt haben wir uns immer an Kennzahlen pro Tonne Endprodukt orientiert. Weil wir aber immer größere Mengen herstellen, kann das heißen: Wir werden zwar nachhaltiger in unserer Produktion, aber absolut gesehen steigen unsere Emissionen. Jetzt haben wir feste Ziele, die wir erreichen wollen – ganz unabhängig vom weiteren Mengenwachstum. Das ist sehr ambitioniert.
Was heißt das konkret? Was ist das bedeutendste Umweltziel, das WACKER bis 2030 erreichen will?
CH: Unser wichtigstes Ziel, bei dem wir die größte Veränderung zu den bisherigen Vorgaben sehen, ist der Ausstoß von Treibhausgasen. Den wollen wir bis 2030 halbieren – und nochmal: in absoluten Zahlen, unabhängig vom Mengenwachstum.
50 %
weniger absolute Treibhausgasemissionen
NACHHALTIGKEITSZIEL BIS 2030
Haben Sie sich darüber hinaus noch andere Ziele gesetzt?
CH: Ja, und zwar zum Thema Effizienz. Da haben wir uns zwei spezifische Ziele gesetzt. Erstens wollen wir beim Verbrauch von Energie noch effizienter werden. Und zweitens wollen wir auch die Ressource Wasser schonender einsetzen, weniger verbrauchen. Für beide Felder lautet das Ziel: minus 15 Prozent bis 2030.
15 %
geringerer spezifischer Energieverbrauch
NACHHALTIGKEITSZIEL BIS 2030
Wir wissen alle, wenn wir den Klimawandel aufhalten wollen, dann geht das nicht zum Nulltarif. Wie hoch ist der finanzielle Aufwand für WACKER, um diese Ziele tatsächlich zu erreichen?
CH: Bis zum Jahr 2030, das ist natürlich ein langer Zeitraum. Aber wir haben das mal abgeschätzt. Die Investitionen, die wir dafür tätigen müssen, sind schon signifikant.
15 %
weniger spezifische Wasserentnahme
NACHHALTIGKEITSZIEL BIS 2030
Wie finden das Ihre Aktionäre, wenn das Unternehmen viel Geld in die Hand nimmt, um klimafreundlicher zu werden?
CH: Das ist ein sehr gutes Stichwort. Denn wir setzen auf zwei Handlungsfelder, um unseren ökologischen Fußabdruck zu verbessern. Der eine Teil, das sind, ich nenne es mal die Hausaufgaben. Wir müssen unsere eigene Produktion, unsere Prozesse verbessern. Da haben wir uns zum Beispiel das Ziel vorgenommen, unsere Treibhausgasemissionen um 50 Prozent zu senken. Die andere Seite – und das sehen wir als den noch größeren Hebel –, das sind unsere Spezialprodukte. Sie tragen entscheidend dazu bei, dass unsere Kunden klima- und ressourcenschonende Lösungen auf den Markt bringen können. Mit anderen Worten: Nachhaltigkeit bedeutet für uns nicht nur einen Beitrag, um dem Klimawandel entgegenzuwirken. Sie ist gleichzeitig eine große geschäftliche Chance für uns. Ja, wir werden mehr investieren müssen. Zum Beispiel, wenn wir in Norwegen Siliciummetall CO2-neutral herstellen wollen. Aber am Ende, und das ist der viel wichtigere Punkt, werden wir dadurch zusätzliches Geschäft generieren. Und insofern macht mir das keine Sorge, dass wir hier Geld in die Hand nehmen. Das sind Investitionen in die Zukunft und es sind Investitionen, die sich auszahlen werden.
„Unser wichtigstes Ziel, bei dem wir die größte Veränderung zu den bisherigen Vorgaben sehen, ist der Ausstoß von Treibhausgasen. Den wollen wir bis 2030 halbieren – und nochmal: in absoluten Zahlen, unabhängig vom Mengenwachstum.“
Wie hoch ist denn der Anteil dieser Produkte, die den Kunden helfen, ihren ökologischen Fußabdruck zu verringern und nachhaltiger zu werden? Kann man das beziffern?
CH: Ja, das kann man beziffern. Produkte, die es unseren Kunden ermöglichen, CO2 einzusparen oder Ressourcen schonender zu nutzen, machen schon heute mehr als zwei Drittel unseres gesamten Portfolios aus. Bei den Anwendungen geht das quer über diejenigen Branchen, die für drei Viertel der weltweiten Emissionen stehen – angefangen bei der Energie über Mobilität und Bau bis hin zur Landwirtschaft.
100 %
der Schlüssellieferanten erfüllen festgelegte Nachhaltigkeitsstandards
NACHHALTIGKEITSZIEL BIS 2030
Haben Sie Beispiele?
CH: Wir unterscheiden hier zwei Arten von Produkten: erstens solche, die neue Technologien überhaupt erst ermöglichen. Unser Polysilicium zum Beispiel. Es ist das wichtigste Ausgangsmaterial für Solarzellen. Ohne unser Material lassen sich siliciumbasierte Solarzellen nicht herstellen. Und zweitens haben wir Produkte, die neue, umweltschonende Technologien unterstützen, um sie besser zu machen. Technologien, die in Summe einen großen positiven Effekt für die Bekämpfung des Klimawandels haben. Dazu zählen etwa unsere wärmeleitfähigen Silicone. In Elektrofahrzeugen sorgen sie dafür, dass die Wärme der Batterien und der elektronischen Komponenten viel besser abgeleitet wird. Nehmen wir alle Produkte von WACKER zusammen, dann zahlen gut zwei Drittel davon auf unsere nachhaltige Lösungskompetenz ein. Ich bin überzeugt, dass wir da sehr gut positioniert sind. Und wir bleiben natürlich nicht stehen beim Erreichten. Wir wollen noch mehr solcher Produkte entwickeln für die Zukunft.
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Unfälle
NACHHALTIGKEITSZIEL BIS 2030
Aber wenn Sie Ihre Produkte herstellen, dann gibt es neben Treibhausgasen ja auch noch andere Aspekte, zum Beispiel, wie umweltverträglich die eingesetzten Rohstoffe sind. Berücksichtigen Sie das?
CH: Ganz klar, auch das muss in die Gesamtbetrachtung mit eingehen. Wir sind da gut unterwegs. Schon heute entsprechen 90 Prozent unserer Produkte festgelegten Nachhaltigkeitskriterien. Und bis 2030 wollen wir erreichen, dass 100 Prozent, also das komplette Portfolio, dem entspricht.
100 %
des WACKER-Portfolios erfüllt festgelegte Nachhaltigkeitsstandards
NACHHALTIGKEITSZIEL BIS 2030
Was sind für Sie die wichtigsten Hebel, um das tatsächlich erreichen zu können?
CH: Das ist eine sehr wichtige Frage, denn wir wollen uns natürlich nicht nur ambitionierte Ziele setzen, wir wollen diese Ziele auch erreichen. Ich will mal die größten Hebel erwähnen.
Erstens ist das die CO2-neutrale Produktion von Siliciummetall. Das ist ein Hauptrohstoff für WACKER. Zwei Drittel unserer Produkte basieren auf Silicium. Und da sehen wir große Chancen, vor allem auch an unserem eigenen Standort Holla in Norwegen, Siliciummetall CO2-neutral herzustellen.
Der zweite große Hebel, das sind Prozessoptimierungen und neue Verfahren, die CO2 als Rohstoff einsetzen. Zum Beispiel in unserem Projekt RHYME Bavaria, in dem wir mit grünem Wasserstoff und CO2 aus bestehenden Produktionsprozessen grünes Methanol herstellen wollen.
Und der dritte Hebel, das ist grüne Energie. Viele unserer Prozesse sind heute bereits elektrifiziert. Das sind mehr als 60 Prozent und das ist Weltspitze in der Chemie. Wenn wir es da schaffen, bei unseren elektrifizierten Prozessen auf grüne Energie umzusteigen, dann haben wir sehr schnell einen weiteren, ganz starken Hebel, um unseren eigenen Fußabdruck zu verbessern.
25 %
weniger Emissionen bei Vorprodukten
NACHHALTIGKEITSZIEL BIS 2030
Das hört sich alles sehr positiv an. Aber wo sehen Sie die größten Herausforderungen und Hindernisse auf diesem Weg? Wo gibt es da Stolpersteine?
CH: Diese Projekte und Maßnahmen auf den Weg zu bringen, ist natürlich kein Selbstläufer. Viele Prozesse müssen dazu erst neu entwickelt werden. Aber wir haben ein klares Konzept, das in die richtige Richtung geht. Und was die grüne Energie betrifft, die muss logischerweise auch am Markt verfügbar sein, in ausreichender Menge. Und das heißt: Der Ausbau der erneuerbaren Energien muss deutlich beschleunigt werden in Deutschland und in Europa.
Sie haben es gesagt: Die Ziele von WACKER sind ambitioniert. Sind diese Ziele aus eigener Kraft zu erreichen oder braucht es die Unterstützung anderer Unternehmen, zum Beispiel von den Lieferanten?
CH: Die Ziele, über die wir gesprochen haben, nehmen wir uns selbst vor. Aber klimaneutral zu werden, das kann eine Firma nicht allein schaffen. Gerade als Chemieunternehmen kauft man viele Rohstoffe ein und diese Rohstoffe haben einen großen CO2-Rucksack, wie man so sagt. Das sind die sogenannten Scope-3-Emissionen, die entlang der Lieferkette entstehen. Bei WACKER sind diese Emissionen fünfmal so hoch wie der Treibhausgas-Ausstoß, der in unserer eigenen Produktion anfällt. Und deshalb erwarten wir auch von unseren Lieferanten, dass sie festgelegte Nachhaltigkeitskriterien erfüllen und dass sie ebenfalls ihre Emissionen von Treibhausgasen deutlich senken – um 25 Prozent bis zum Jahr 2030.
Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Was bedeutet Nachhaltigkeit für Sie selbst?
CH: Nachhaltigkeit bedeutet für mich, dass wir das erhalten, was wir in der Vergangenheit hatten und was wir heute haben. Das ist das Klima. Das ist die Natur, der Wald, das Wasser. Das ist aber auch das Miteinander, die Menschen, die Arbeitsplätze. Das ist eine Umgebung, in der man sich wohlfühlt. Dass also auch künftige Generationen in einer Welt leben, die so lebenswert ist, wie wir sie vorgefunden haben.