Geschäftsbericht 2021

Diese Seite teilen

Creating tomorrow’s solutions

Technology (Icon)

Wir setzen auf klimafreundliche Technologien

und ermöglichen mit unseren Produkten erneuerbare Energieerzeugung, Elektromobilität und klimafreundliches Bauen.

Polysilicium

Reinstes Silicium für Solarstrom

99,9999999 Prozent reines Polysilicium – das ist ein bedeutender Beitrag von WACKER für die saubere Energie der Zukunft. Der Halbleiter ist das wichtigste Ausgangsmaterial für Computerchips, aber auch für Solarzellen. Vom Ursprungsmaterial Quarzsand bis zur Photovoltaikanlage sind viele technisch anspruchsvolle Arbeitsschritte nötig, die bestimmen, wie effizient die Sonnenenergie genutzt wird. Als einer der Weltmarkt­führer mit mehr als 60 Jahren Erfahrung in der Herstellung von Polysilicium leistet WACKER so einen entscheidenden Beitrag zur Energiewende.

Es ist eine malerische Landschaft, durch die Jim Tharp frühmorgens zu seinem Arbeitsplatz fährt. Der Hiwassee River schlängelt sich um die Kleinstadt Charleston herum, bevor er am Werk von WACKER vorbei und später in den Tennessee River fließt. Wasserkraft prägt die ländliche Region in den Appalachen, Solarenergie spielte lange Zeit kaum eine Rolle. Doch seit WACKER in Charleston seinen US-Produktionsstandort für Polysilicium eröffnet hat, begann auch hier das solare Zeitalter.

Tharp leitet in Charleston die Produktion von Reinstsilicium, einem der wichtigsten Bausteine für unsere klimaneutrale Zukunft. Durch das Solarsilicium, das WACKER allein 2020 produziert hat, werden im Laufe der Lebensdauer der daraus gefertigten Solaranlagen rund 450 Millionen Tonnen CO2-Emissionen vermieden. Zum Vergleich: Damit entfällt 30 Jahre lang der CO2-Ausstoß einer Stadt der Größe Hamburgs.

Polysilicium  (Foto)
Hochreines Polysilicium entsteht aus Quarzsand. Es ist ein wichtiger Rohstoff für die Photovoltaik.
Jim Tharp (Foto)
Jim Tharp leitet die Produktion von Polysilicium in Charleston.

Globaler Klimaschutz erhöht den Bedarf an Strom aus erneuerbaren Energiequellen gewaltig. In einer defossilisierten Zukunft brauchen elektrisch betriebene Industrieöfen, E-Autos und Wärmepumpen immer mehr grünen Strom. Die Internationale Energieagentur IEA sieht Solarenergie dabei als den „kommenden König“. Sie werde ab 2022 jedes Jahr Rekorde brechen, weil die Speichertechnologie große Fortschritte macht und die Kosten für Solarstrom schneller sinken als für jede andere Art der Energieerzeugung. In einigen Ländern werde Strom aus neuen Solaranlagen schon bald billiger sein als Strom aus bestehenden Kohlekraftwerken. Aktuell hat sich die Produktion einer Solarzelle nach etwa einem Jahr energetisch amortisiert.

Das liegt auch an den stetig steigenden Wirkungsgraden der Zellen bei gleichzeitig sinkenden Herstellungskosten. Jim Tharp und seine Kollegen sind an dieser Entwicklung beteiligt, denn immer effizientere Zellen brauchen immer reineres Silicium.

WACKER ist einer der Pioniere in der Herstellung von Polysilicium. Seit 1954 forscht und entwickelt der Münchner Chemiekonzern an der Herstellung von hochreinem Polysilicium, zum Beispiel für Transistorradios, die in den 1960ern die Röhrenempfänger ablösten. Seit 2000 produziert WACKER außerdem spezielles Polysilicium für die Solar­industrie, zuerst in Burghausen, seit 2011 auch in Nünchritz und seit 2016 im US-amerikanischen Charleston.

Durch Automatisierung und optimierte Prozesse konnte WACKER Qualität und Produktivität steigern. „WACKER hat den besten und stabilsten Prozess“, erzählt Produktionsleiter Tharp stolz. Der große Vorteil des Konzerns ist die Verbundproduktion: Neben- oder Abfallprodukte werden zu anderen Produkten verarbeitet.

Zudem ist die Produktion fast vollständig elektrifiziert. Ein ausgefeiltes Energiemanagement reduziert den Energieverbrauch und damit den CO2-Fußabdruck des Polysiliciums. So wird beispielsweise mit der Abwärme, die beim Abkühlen des Polysiliciums entsteht, Dampf für die Destillation erzeugt. In Summe verursacht WACKER bei der Herstellung von Polysilicium deshalb nur halb so viele CO2-Emissionen wie manche Konkurrenten.

Photovoltaikanlage (Foto)
Photovoltaik liefert günstigen Strom in großer Menge.
Polysiliciums Prozessführung durch Destillation (Foto)
Das Geheimnis des hochreinen Polysiliciums liegt in der Prozessführung bei der Destillation.

Ein außergewöhnlicher Stoff

Das Polysilicium aus Charleston geht nicht nur in die Solar­industrie, sondern vor allem in den Halbleitermarkt. Dafür, erzählt Jim Tharp, muss es allerdings noch reiner sein. „Wir reden hier von Verunreinigungen im Billionstel-Bereich, die wir messen und kontrollieren können“, betont der Chemie­ingenieur. Mit seiner hohen Qualität ist das Material auf dem aktuell engen Markt bei den Herstellern von Halbleiter­wafern heiß begehrt.

Wer eines der silbrig schimmernden Bruchstücke in der Hand hält, kann sich kaum vorstellen, wie unersetzlich das Material für die Energiewende und die Digitalisierung ist. Dabei gibt es das Ausgangsmaterial im Überfluss. Silicium ist das zweithäufigste Element in der Erdkruste und kommt gebunden als Siliciumdioxid zum Beispiel in Quarzsand vor.

Bis aus dem Quarzsand eine Solarzelle wird, ist es ein weiter und komplizierter Weg. Zuerst wird der Quarzsand im Lichtbogenofen auf 2.100 Grad Celsius erhitzt und in mehreren Schritten aufgereinigt. Das Rohsilicium, graue Brocken, besteht bereits zu 99 Prozent aus Siliciumatomen.

Rein, reiner, WACKER

99 Prozent – das reicht jedoch bei weitem nicht für Halbleiter oder Solarzellen. Das Rohsilicium muss sehr viel reiner werden. Hier kommt Jim Tharp in Charleston ins Spiel. Aus den Siliciumstücken, die in Containern angeliefert werden, macht er mit seinem Team einen Hightech-Rohstoff, das ultrareine, silbrig schimmernde Polysilicium. „Alles dreht sich bei uns darum, die maximale Reinheit und Qualität hinzukriegen – und zwar jeden Tag, jede Stunde“, erzählt er.

Dafür durchläuft das Silicium in Charleston hochkomplexe Prozesse. Zuerst wird es mit Hilfe von Chlorwasserstoff in flüssiges Trichlorsilan umgewandelt. Danach übernehmen die hohen Destillationskolonnen die Reinigung, energie­effizient und in großen Mengen. WACKER hat diese Kunst so perfektioniert wie kein anderes Unternehmen. Nach der Destillation liegen die Konzentrationen kritischer Verunreinigungen im ppt-Bereich (parts per trillion, Anteile pro Billion). Ein ppt entspricht dabei einer Konzentration von 10 Gramm Zucker in zehn Milliarden Litern Wasser – so viel, wie eine Million Tanklaster fassen können. Es ist das reinste Material, das Menschen industriell herstellen.

Das hochreine Trichlorsilandestillat wird auf rund 1.000 Grad Celsius erhitzt und über dünne Siliciumstäbe geleitet. Dabei zerfällt das Trichlorsilan, das polykristalline Silicium wird auf der Oberfläche der Stäbe abgeschieden. Anschließend wird es zerkleinert und es entsteht das Endprodukt der Anlagen in Charleston: silbrig schimmerndes Polysilicium.

Hunger auf Chips: Polysilicium für Halbleiter

In der Herstellung von Polysilicium für die Halbleiter­industrie zählt WACKER zu den Pionieren und hat auf diesem Gebiet jahrzehntelange Erfahrung. Der Prozess ist ähnlich wie bei Solarsilicium, aber noch deutlich aufwändiger, da wesentlich höhere Reinheiten erzielt werden müssen. Dieses Polysilicium wird für Mikrochips benötigt. Sie sind die Schlüsseltechnologie für die smarte, vernetzte Welt. Je reiner das Polysilicium ist, desto kleiner, schneller und leistungsstärker werden die Mikrochips. Der Münchner Chemiekonzern ist in diesem Segment weltweiter Marktführer. Fast jeder zweite Mikrochip auf der Welt, egal ob er im Backofen, im Handy oder im Auto steckt, wurde mit Polysilicium von WACKER hergestellt.

Der Weg auf das Hausdach

Von Charleston aus hat das Reinstsilicium eine weite Reise vor sich, bis es als Prozessor im Computer seine Arbeit verrichtet oder auf dem Hausdach Sonnenenergie in Strom umwandelt. Zwei bis drei Container am Tag verlassen das Werk, erzählt Tharp. Sie gehen zum Beispiel nach Asien, wo die meisten Hersteller von Solar- und Halbleiterwafern sitzen. Diese schmelzen das polykristalline Silicium, bis es wenige Grad über dem Schmelzpunkt heiß ist, der bei gut 1.400 Grad Celsius liegt. Dann wird ein kleiner Siliciumimpfkristall an einem Stab in die Flüssigkeit getaucht und langsam über viele Stunden hinweg unter Drehen aus der Schmelze gezogen. Dabei wächst das erstarrende Polysilicium zu einem mannshohen und tonnenschweren einkristallinen Silicium­stab heran. Aus dem mehrere Meter langen Einkristall werden Wafer für die hocheffizienten, monokristallinen Solarzellen gesägt. Die Wafer werden zu einzelnen Solarzellen verarbeitet und schließlich zu Modulen montiert. Die Module wiederum lassen sich individuell kombinieren: von der Anlage für das Dach bis zum Solarpark in der Wüste.

Eine glänzende Zukunft

Auch wenn Jim Tharp auf seinem Haus noch keine Solaranlage hat, steht Photovoltaik in seiner Heimat vor einem großen Wachstum. US-Präsident Joe Biden hält eine Verzehnfachung von Solarstrom in den kommenden 15 Jahren für möglich. 2050 könnte knapp die Hälfte des Stroms mit Sonnenenergie erzeugt werden. Auch in anderen Regionen der Welt spricht viel dafür, dass Photovoltaik die wichtigste Energiequelle der Zukunft sein wird. Im Jahr 2020 gab es einen globalen Rekordzuwachs von 22 Prozent – gute Aussichten für Strom aus der Sonne und Polysilicium als wichtigsten Rohstoff.

Vom Polysilicium zum Solarmodul

Vom Polysilicium zum Solarmodul (Grafik)

Vom Polysilicium zum Solarmodul

Vom Polysilicium zum Solarmodul (Grafik)
Chlorsilane
Verbindungen aus Silicium, Chlor und ggf. Wasserstoff. In der Halbleiterindustrie wird meist Trichlorsilan zur Herstellung von Polysilicium und für die Abscheidung von Silicium nach dem Epitaxie-Verfahren verwendet.
Emission
Von einer Anlage in die Umwelt ausgehende Stoffausträge, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme oder Strahlen.
Polysilicium
Polykristallines Silicium des Bereichs WACKER POLYSILICON. Hochreines Silicium zur Herstellung von Siliciumwafern für die Elektronik und Solarindustrie. Rohsilicium wird in das flüssige Trichlorsilan überführt, aufwändig destilliert und bei 1.000 °C in hochreiner Form wieder abgeschieden.
Silicium
Nach Sauerstoff das am häufigsten vorkommende Element der Erdkruste. In der Natur kommt Silicium ausnahmslos in Form von Verbindungen vor, hauptsächlich als Siliciumdioxid und in Form von Silicaten. Silicium wird über die energieintensive Reaktion von Quarzsand mit Kohle gewonnen und ist der wichtigste Rohstoff der Elektronikindustrie.