Gesund werden, gesund bleiben
Im Auftrag von Pharmafirmen stellen wir biopharmazeutische Produkte her: therapeutische Proteine, Impfstoffe und Produkte mit Lebendbakterien.
Wirkstoffe
Impfstoffe im Sekundentakt
Auf dem Weg vom Impfstoff zum weltweiten Sieg über die Corona-Pandemie müssen viele Rädchen ineinandergreifen. Wacker Biotech ist eines davon. Das Unternehmen stellt im Auftrag von Pharmafirmen Wirkstoffe her. Bald auch einen Wirkstoff, der Bestandteil eines Impfstoff-Kandidaten gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 ist.
Alexander Fleming hatte es im Gefühl, als er vor fast 100 Jahren das Penicillin entdeckte: Er ist einer großen Sache auf der Spur. Und er sollte Recht behalten: Antibiotika haben bis heute millionenfach Leben gerettet. Allerdings dauerte es von Flemings Fund bis zum heilsamen Einsatz mehr als ein Jahrzehnt. Es hakte am Produktionsprozess und an den Produktionskapazitäten. Wertvolle Zeit ging verloren.
Die Geschichte des Penicillins zeigt: Der Kampf gegen Bakterien und Viren wird nicht nur im Reagenzglas geführt. Von der Entwicklung eines Wirkstoffs über die Produktion bis zur Verteilung: Bezwungen werden Krankheiten, wenn viele Rädchen ineinandergreifen.
„Wir sind alle unglaublich stolz, einen Beitrag im Kampf gegen die Corona-Pandemie leisten zu können.“
Sandra Verhaagh, Leiterin der Produktion bei Wacker Biotech
In den vergangenen Monaten war eine ganze Heerschar von Wissenschaftlern erneut einer großen Sache auf der Spur: Unter Hochdruck wurde ein Impfstoff gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 gesucht. Die Suche war erfolgreich. Mittlerweile liegen mehrere Impfstoffe vor, deren Wirksamkeit belegt ist. Die Entwicklungszeit eines Impfstoffs verkürzte sich von acht bis zehn Jahren auf nur zwölf Monate.
Nun geht es um die Produktion. Milliarden von Impfdosen sind nötig, um die Pandemie in den Griff zu bekommen. Das Rennen um die verfügbaren Produktionskapazitäten hat längst begonnen. Einige Kandidaten werden seit Monaten hergestellt. Vorsorglich. Schaffen sie die Zulassung nicht, war die Arbeit umsonst. Pharmafirmen, Forscher und Regierungen weltweit arbeiten eng zusammen, um die Bemühungen zum Erfolg zu bringen.
Wacker Biotech hat mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Impfstoff-Herstellung.
Die Produktion in Amsterdam erstreckt sich über mehrere Stockwerke.
20 Jahre Erfahrung in der Impfstoff-Herstellung
Ein Rädchen im Getriebe der Impfstoff-Maschinerie ist Wacker Biotech. Das Unternehmen stellt seit 20 Jahren Impfstoffe her. Dabei ist das Tochterunternehmen der Wacker Chemie AG hinter den Kulissen tätig. Die Biotech-Experten entwickeln in ihren Laboren Produktionsprozesse und produzieren in ihren Anlagen Wirkstoffe, die später in Impfstoffen und anderen innovativen Biopharmazeutika stecken. Die Kunden kommen aus der Pharma- und Biotech-Industrie.
Einer der Kunden heißt CureVac. Das Tübinger Biotech-Unternehmen hat Wacker Biotech mit der Wirkstoff-Herstellung seines Covid-19-Impfstoffkandidaten CVnCoV beauftragt. Die Produktion am Standort Amsterdam soll im ersten Halbjahr 2021 beginnen. Die Vorbereitungen dafür laufen bereits.
Das Backsteingebäude von Wacker Biotech liegt im Südosten von Amsterdam, im Stadtteil Zuid Oost. Der Glas-Dom, ein transparenter Aufbau im Zentrum des Baus, bringt Tageslicht ins Innere. Hier reihen sich Reaktoren, Edelstahltanks und Bildschirme aneinander. Eine Produktion speziell für die Herstellung sogenannter mRNA-Impfstoffe ist hier in den vergangenen Monaten entstanden. Im Kampf gegen die Corona-Pandemie ruhen auf dieser neuen Impfstoff-Klasse große Hoffnungen. Im Falle einer erfolgreichen Zulassung ist geplant, mehr als 100 Millionen Dosen des mRNA-Wirkstoffs von CureVac künftig bei Wacker Biotech pro Jahr zu produzieren. Das sind drei Impfdosen pro Sekunde.
„Wir sind alle unglaublich stolz, einen Beitrag im Kampf gegen die Corona-Pandemie leisten zu können“, sagt Sandra Verhaagh, die bei Wacker Biotech die Produktion leitet. Normalerweise dauere es mehrere Monate, um den Produktionsprozess für einen Impfstoff vom Kunden zu transferieren, damit die ersten Testläufe bei Wacker Biotech beginnen können. Im Fall von CVnCoV ist der Zeitplan ein anderer. „Wir haben den Prozess sozusagen in Lichtgeschwindigkeit transferiert“, berichtet Verhaagh. Spezielles Equipment für den Produktionsprozess wurde beschafft, Rohmaterialien eingekauft, die Prozesse für Analytik und Dokumentation aufgebaut. Ein Kraftakt für alle Beteiligten.
Wacker Biotech
Wacker Biotech bündelt als sogenannte CDMO (Contract and Development Manufacturing Organisation) die Aktivitäten des WACKER-Konzerns im Bereich Biopharmazeutika. Im Auftrag von Pharma- und Biotech-Firmen stellt das Unternehmen therapeutische Proteine, lebende mikrobielle Produkte und Impfstoffe auf der Basis mikrobieller Systeme her. Das Portfolio reicht von der Stamm- und Prozessentwicklung über die analytische Prüfung bis hin zur Produktion für die klinische sowie die kommerzielle Versorgung nach den Richtlinien der Good Manufacturing Practice (GMP). Wacker Biotech unterhält drei Produktionsstandorte in Jena und Halle (Wacker Biotech GmbH) sowie im niederländischen Amsterdam (Wacker Biotech B.V.).
Breites Impfstoff-Portfolio
mRNA-Impfstoffe sind auch für Wacker Biotech Neuland. Bislang reichte die Palette der produzierten Impfstoffe von klassischen Lebend- und Totimpfstoffen über proteinbasierte Impfstoffe bis hin zu Polysaccharid- und Konjugatimpfstoffen. Wie zum Beispiel gegen Cholera oder Meningitis A.
„Mich fasziniert es, etwas herzustellen, das Menschen nicht nur heilt, sondern präventiv dafür sorgt, dass sie gesund bleiben“, sagt Verhaagh. Die Molekularbiologin beschäftigt sich schon beinahe ihr ganzes Arbeitsleben mit Impfstoffen in all ihren Ausprägungen. „Impfstoff ist nicht gleich Impfstoff“ erklärt sie. „Eine Möglichkeit ist es, bei der Entwicklung den Erreger als Impfstoff zu verwenden – in abgeschwächter oder inaktiver Form“, so Verhaagh. Dabei enthalten Lebendimpfstoffe vermehrungsfähige Erreger, die keine Krankheit mehr verursachen können. Viele solcher Impfstoffe – etwa gegen die Kinderkrankheiten Mumps, Masern und Röteln – bewirken lebenslangen Impfschutz. Inaktivierte Impfstoffe, die man auch Totimpfstoffe nennt, enthalten dagegen abgetötete Erreger oder Teile eines inaktiven Virus, auf die das Immunsystem reagiert. Bei Totimpfstoffen hält der Immunschutz meist nur einige Jahre und muss dann erneuert werden.
Die meisten Impfstoffe sind heute Totimpfstoffe, bei deren Entwicklung nur ausgewählte Moleküle eines Erregers verwendet werden. Hergestellt werden sie oft mit Hilfe von Gentechnik. Solche Impfstoffe auf Proteinbasis enthalten einzelne, charakteristische Eiweiße eines Erregers, die eine Immunreaktion im Körper hervorrufen. Damit das funktioniert, werden meistens Wirkstoffverstärker, sogenannte Adjuvantien, hinzugefügt. Das gilt auch für sogenannte Polysaccharid-Impfstoffe, bei denen die Polysaccharide aus der Hülle eines Erregers verwendet werden, um eine Immunreaktion hervorzurufen. Um ihre Wirksamkeit zu erhöhen, werden Polysaccharide oft an Proteine gebunden. Man spricht von Konjugatimpfstoffen.
Bei der Herstellung klassischer Impfstoffe kommen Fermenter zum Einsatz.
Probenentnahme am Fermenter: Der größte Bioreaktor am Standort hat ein Fassungsvermögen von 1.500 Litern.
Regelmäßige Qualitätskontrolle: Impfstoff-Proben werden untersucht.
Eine neue Impfstoffklasse
Einen neuen Ansatz bieten genbasierte Impfstoffe. Hier werden keine Krankheitserreger – oder Teile davon – bei der Impfung injiziert. Die Impfstoffe enthalten lediglich die genetischen Informationen für die Herstellung eines einzelnen Antigens. Man unterscheidet zwischen mRNA-, DNA- und Vektorimpfstoffen.
Im Fall von mRNA-Impfstoffen dreht sich alles um das Molekül Ribonukleinsäure (messenger ribonucleic acid). Es ist ein wesentlicher Bestandteil des menschlichen Organismus. Als Bote dient es dazu, Bauanleitungen zwischen dem Erbgut und den Proteinfabriken der Zellen zu transportieren. Wer mRNA synthetisch herstellen kann und in Zellen transportiert, kann so den Körper anleiten, ein bestimmtes Protein herzustellen, das eine Immunreaktion auslöst. Im Fall von CureVacs Impfstoff CVnCoV zum Beispiel ist die mRNA auf das Spike-Protein des SARS-CoV-2-Virus kodiert. Ein wichtiger Aspekt: Wird ein mRNA-Impfstoff einem Patienten injiziert, gelangt die mRNA nicht in den Zellkern. Zudem ist die einzelsträngige RNA nicht mit der doppelsträngigen DNA kompatibel. Eine Veränderung des Erbguts ist daher ausgeschlossen, versichern Wissenschaftler – etwa des Paul-Ehrlich-Instituts, das in Deutschland für die Zulassung von Impfstoffen zuständig ist.
Wie sich mRNA-Impfstoffe von klassischen Impfstoffen unterscheiden
Klassischer Impfstoff
Antigene (Teile des Krankheitserregers) werden industriell produziert, zum Beispiel im Bioreaktor.
Der Impfstoff enthält das Antigen.
Das Antigen wird injiziert. Das Immunsystem produziert Antikörper, die den Körper auf die nächste Begegnung mit dem Erreger vorbereiten.
mRNA-Impfstoff
Die mRNA wird mit Hilfe von Enzymen und einer DNA-Vorlage herstellt.
Der Impfstoff enthält lediglich die Bauanleitung für ein Antigen.
Die mRNA gelangt in die Zelle, wo sie Anweisungen zur Produktion des Antigens liefert und gleichzeitig das Immunsystem stimuliert. Die schützende Wirkung wird auch hier meist über Antikörper erreicht.
Impfstoff-Produktion: eine Wissenschaft für sich
So unterschiedlich die verschiedenen Impfstoffklassen sind, so unterschiedlich sind die Impfstoffe in ihrer Herstellung. „Die Impfstoff-Produktion ist eine Wissenschaft für sich“, sagt Sandra Verhaagh. „Jeder Impfstoff ist anders, jeder Produktionsprozess einmalig, was ein hohes Maß an wissenschaftlicher und technischer Expertise erfordert.“ Die Herstellung läuft in mehreren Schritten ab, die je nach Impfstofftyp variieren. Zunächst werden im kleinen Maßstab sogenannte Vorkulturen des Impfstoffkandidaten hergestellt, den der Kunde geliefert hat. Im Falle eines klassischen Impfstoffs beginnt danach die Produktion in größerem Maßstab in Edelstahltanks, sogenannten Fermentern, oder in Einwegreaktoren. Hier vervielfältigen und produzieren Bakterien den gewünschten Wirkstoff – im Falle eines Konjugatimpfstoffes werden die gewünschten Polysaccharide gebaut. Diese werden im Anschluss in mehreren Schritten gereinigt. Es folgen die chemische Aktivierung und die Gefriertrocknung. Im letzten Schritt folgt die Bindung an das Trägerprotein zum fertigen Konjugatimpfstoff. Ein langwieriger Prozess.
Im Vergleich dazu ist die Herstellung eines mRNA-basierten Impfstoffs effizienter. „Der Krankheitserreger selbst muss nicht gezüchtet werden. So fällt ein sehr zeitintensiver Schritt weg“, erklärt Verhaagh. Plasmid-DNA, die Teile des Krankheitserregers enthält, bildet die Ausgangsbasis für die Herstellung. Enzyme transkribieren diese in mRNA. Danach wird der Wirkstoff mittels Chromatographie gereinigt. „Im Produktionsprozess darf es nicht zu spezifischen Verunreinigungen kommen“, sagt Verhaagh. Die Impfstoff-Herstellung unterliegt daher sehr strengen hygienischen Vorgaben.
Von der klinischen Studie bis zur Marktversorgung
Für die Produktion von biopharmazeutischen Therapeutika und klassischen Impfstoffen stehen in Amsterdam sowie an den beiden deutschen Standorten in Jena und Halle mehrere Fermenter mit einem Fassungsvermögen von bis zu 1.500 Litern zur Verfügung. So kann je nach Bedarf die Produktionsmenge angepasst werden – kleine Mengen für klinische Studien, größere für die spätere Marktversorgung. Je nachdem, in welcher Entwicklungsphase sich der Impfstoff des Kunden gerade befindet. Dazu kommt die neue Produktion für mRNA-basierte Impfstoffe in Amsterdam, die kurz vor der Inbetriebnahme steht.
Am Standort Amsterdam können Impfstoffe nach der Produktion auch in Fläschchen abgefüllt werden.
Hochreine Produktionsbedingungen
In der gesamten Produktion herrscht Reinraumumgebung. Werden fertige Impfstoffe abgefüllt, unterliegt das sogar der höchsten Reinraumklasse. In Amsterdam können verschiedene Impfstoffklassen nach der Herstellung gefriergetrocknet oder in Fläschchen abgefüllt werden. „Es gilt das Prinzip: Je näher man zum Endprodukt kommt, umso strenger sind die Vorschriften“, sagt Verhaagh. Für die Mitarbeiter bedeutet das: Schutzkleidung von Kopf bis Fuß. Bereits ein Staubkorn ist zu viel.
Es laufen aktuell mehrere Impfstoff-Projekte in Amsterdam: Während Sandra Verhaagh und ihre Kollegen den Produktionsstart für CVnCoV vorbereiten, wird parallel ein klassischer Konjugatimpfstoff produziert, der ebenfalls kurz vor der Zulassung steht – allerdings nicht gegen SARS-CoV-2. Bei erfolgreicher Zulassung von CVnCoV wird die Produktion zur mRNA-Wirkstoff-Herstellung ausgeweitet. Nur so kann die hohe Zahl an benötigten Impfdosen produziert werden. Sandra Verhaagh führt deshalb gerade eine Menge Vorstellungsgespräche. In der Produktion, für die Qualitätskontrolle und für die Qualitätssicherung: Wacker Biotech braucht zusätzliches Personal am Standort Amsterdam. Damit das Rädchen auch weiterhin rundläuft.
Eckpfeiler der modernen Medizin
Auf der Haut, im Darm, in der Luft und auf dem Meeresboden: Milliarden von Bakterien und Viren umgeben uns. Für das bloße Auge unsichtbar, sind die meisten dieser Winzlinge ungefährlich, manche lebensnotwendig. Einige aber machen krank. Sie können schwere, zum Teil lebensbedrohliche Erkrankungen hervorrufen. Dauerhaften Schutz vor einer Reihe von Infektionskrankheiten bieten Impfungen. Sie gaukeln dem Körper vor, sich mit einem Erreger infiziert zu haben. Das Immunsystem reagiert mit der Bildung von Antikörpern, die den Erreger bekämpfen. Kommt es zu einem späteren Zeitpunkt zu einer Infektion, erinnert sich das Immunsystem an den Erreger und wird erneut aktiv. So funktioniert der Impfschutz gegen Kinderlähmung, Typhus, Cholera, Hepatitis A und B, HPV und die Pocken, die dank einer weltweiten Impfkampagne seit 1980 als besiegt gelten. Die Liste ist lang. Und sie macht deutlich: Neben der Entwicklung des Antibiotikums sind Impfungen die Eckpfeiler der modernen Medizin. Die Weltgesundheitsorganisation geht davon aus, dass durch Impfungen jährlich zwei bis drei Millionen Leben gerettet und unzählige Erkrankungen verhindert werden.