USA – Der zweitgrößte Chemiemarkt der Welt

Seit dem Jahr 2009 erlebt vor allem die Chemieindustrie in den USA, ausgelöst durch den Schiefergas-Boom, eine Renaissance. In den vergangenen Jahren ist die Chemieproduktion auf dem amerikanischen Kontinent durchschnittlich um 3,6 Prozent pro Jahr gewachsen. Die Investitionen stiegen im gleichen Zeitraum um zehn Prozent. Die chemische Industrie auf der anderen Seite des Atlantiks wird von zwei Ländern dominiert. Die US-Chemie steht für 90 Prozent des Chemieumsatzes in Nordamerika. Brasilien prägt mit 51 Prozent Umsatzanteil die Branche in Südamerika.

WACKER setzte 1965 mit einer Niederlassung in New York seinen Fuß auf den nordamerikanischen Chemiemarkt. 1969 beteiligten wir uns an der Stauffer Chemicals Corporation in Adrian, von wo aus wir noch heute unser Silicongeschäft steuern. 46 Jahre später beginnt für WACKER eine neue Ära. Mit der Inbetriebnahme des Standortes Charleston im US-Bundesstaat Tennessee legen wir den Grundstein für unseren ersten voll integrierten Produktionsverbund auf dem amerikanischen Kontinent.

Präsenz stärken. Märkte ausbauen.

Region Amerika

Titel USA (Grafik)Titel USA (Grafik)

Der zweitgrößte Chemiemarkt der Welt

Seit dem Jahr 2009 erlebt vor allem die Chemieindustrie in den USA, ausgelöst durch den Schiefergas-Boom, eine Renaissance. In den vergangenen Jahren ist die Chemieproduktion auf dem amerikanischen Kontinent durchschnittlich um 3,6 Prozent pro Jahr gewachsen. Die Investitionen stiegen im gleichen Zeitraum um zehn Prozent. Die chemische Industrie auf der anderen Seite des Atlantiks wird von zwei Ländern dominiert. Die US-Chemie steht für 90 Prozent des Chemieumsatzes in Nordamerika. Brasilien prägt mit 51 Prozent Umsatzanteil die Branche in Südamerika.

WACKER setzte 1965 mit einer Niederlassung in New York seinen Fuß auf den nordamerikanischen Chemiemarkt. 1969 beteiligten wir uns an der Stauffer Chemicals Corporation in Adrian, von wo aus wir noch heute unser Silicongeschäft steuern. 46 Jahre später beginnt für WACKER eine neue Ära. Mit der Inbetriebnahme des Standortes Charleston im US-Bundesstaat Tennessee legen wir den Grundstein für unseren ersten voll integrierten Produktionsverbund auf dem amerikanischen Kontinent.

Bundesstaaten

50

Bevölkerung

321,4 Mio.

Fläche

9.826.675 km2

Der amerikanische Traum

Vom Tellerwäscher zum Millionär: Auch Rose Blumkin lebte diesen Inbegriff des amerikanischen Traums. Die zierliche Dame maß nur 1,47 Meter, aber sie war „eine Business-Gigantin“, so Großinvestor Warren Buffett: Als arme Immigrantin kam sie aus dem weißrussischen Minsk nach Omaha, Nebraska. Mit 500 geliehenen Dollar eröffnete die junge Frau in den dreißiger Jahren einen kleinen Möbelladen. Mit Siebentagewoche und ihrem Motto „Verkaufe billig und sage die Wahrheit“ machte sie den Laden im Laufe der Jahrzehnte zu Amerikas größtem Möbelgeschäft. Schließlich kaufte Warren Buffet ihren „Nebraska Furniture Mart“ – für eine Milliarde Dollar.

Rose Blumkin blieb dem Unternehmen als leidenschaftliche Verkäuferin treu, fuhr mit ihrem Elektromobil durch die Weiten des Geschäfts und beriet weiter die einfachen Kunden, bis sie im Jahre 1998 mit 104 Jahren starb. Und Warren Buffett eröffnete neue gigantische Filialen, die jüngste im Mai 2015 in der Nähe von Dallas. Die schiere Größe des Geschäfts sei „ein Schock“, staunte das Wirtschaftsmagazin „Economist“. 2.300 Mitarbeiter bieten Möbel, Matratzen, Teppiche, Bodenbeläge, Garten-und Babybedarf, Computer und andere Elektronik auf einer Fläche von rund 20 Fußballfeldern feil. Täglich karren 70 Trucks den Nachschub an Waren heran, und jeden Samstag strömen 20.000 Besucher durch die Warenwelt. Eine Milliarde Dollar: Mit diesem Ladenumsatz rechnet Warren Buffett im ersten Jahr.

Der größte Binnenmarkt der Welt

„Think big.“ Das gilt für das ganze, riesige Land und seine konsumfreudigen Bürger. Die Fläche von Deutschland passt 25-mal in das Staatsgebiet der USA. 321 Millionen Einwohner leben in den USA, das sind nur knapp 4,5 Prozent der Weltbevölkerung, doch sie erbringen ein erstaunliches Fünftel der gesamten Leistung der Weltwirtschaft. Während die Europäische Union 2015 über die Verteilung von 160.000 Flüchtlingen stritt, erhalten in der USA Jahr für Jahr eine Million Zuzügler ihre dauerhafte Aufenthaltserlaubnis. Sie tragen dazu bei, den weltweit größten Binnenmarkt zu schaffen: Amerikanische Konsumenten geben jährlich für ihren privaten Verbrauch zwölf Billionen Dollar aus – mehr, als China auch in seinen besten Boomjahren insgesamt erwirtschaftete. Die US-Wirtschaft wuchs 2014 und 2015 je um rund zweieinhalb Prozent, also um einen vollen Prozentpunkt mehr als in der Europäischen Union. Im Jahr 2014 entstanden so viele Jobs wie seit der Jahrtausendwende nicht mehr. Jeden Monat kamen rund 260.000 Stellen hinzu, ein Trend, der sich etwas abgeschwächt auch im Jahr 2015 fortsetzte, so dass die Arbeitslosenquote im Oktober auf fünf Prozent fiel – zuletzt war sie im Jahre 2008 so gering, bevor die Finanzkrise den Arbeitsmarkt erfasste. „Für den seit über sechs Jahren andauernden Wirtschaftsaufschwung war auch im Sommer 2015 noch kein Ende abzusehen“, urteilt die bundeseigene Außenhandelsgesellschaft „Germany Trade and Invest“ (GTAI): Die USA sind zum hauptsächlichen Motor der Weltwirtschaft geworden, nachdem die BRICS-Staaten schwächeln.

Absatzmarkt USA: der Handel mit Deutschland

Die USA sind als weltgrößter Absatzmarkt für Importgüter gerade für die vom Export so abhängige deutsche Wirtschaft deshalb noch attraktiver und wichtiger geworden. Die Handelsbilanz der USA schloss 2014 mit einem Defizit von 505 Milliarden Dollar ab – eine Summe, die in etwa dem gesamten Bruttoinlandsprodukt von Bayern entspricht. Das größte Handelsdefizit haben die USA mit China, das zweitgrößte mit Deutschland: Um 73,7 Milliarden Dollar waren die Exporte in die USA größer als die Importe von dort. Nach über fünfzig Jahren lösten die USA im vergangenen Jahr Frankreich als wichtigster Handelspartner Deutschlands ab.

Größte Chemieunternehmen in den USA in Mio. US-$

Größte Chemieunternehmen in den USA (Balkendiagramm)Größte Chemieunternehmen in den USA (Balkendiagramm)

Quelle: ICIS Chemical Business, Top 100 listing

Umsatz der Chemiesparten in Amerika Anteile der Sparten am Umsatz in %

Umsatz der Chemiesparten in Amerika (Tortendiagramm)Umsatz der Chemiesparten in Amerika (Tortendiagramm)

Quelle: Chemdata International, VCI

Standortvorteil Konsum

Der wichtigste Grund dafür ist neben dem starken Dollar die Entwicklung der Öl- und Gaspreise. Wegen der Fördertechnik Fracking und der Erschließung neuer Schieferlagerstätten schwangen sich die USA 2014 zum größten Gasproduzenten der Welt auf. Gleichzeitig fiel der Preis für Rohöl binnen eines Dreivierteljahres von 110 Dollar auf unter 60 Dollar zum Jahresbeginn 2015. Der Benzinpreis war im September so niedrig wie seit elf Jahren nicht mehr. Im Dezember 2015 sank der Rohölpreis auf ca. 30 US-Dollar. Die Menschen können das Geld, das sie bislang an der Tankstelle ausgegeben haben, in den Konsum stecken: Im Jahr 2015 stieg das verfügbare Einkommen der Bürger um durchschnittlich 4,8 Prozent.

So kamen 2015 rund 18 Millionen Neuwagen auf die Straße, so viele wie seit dem Jahr 2000 nicht mehr. Wie stark der Konsum und damit auch die chemische Industrie von gesellschaftlichen Entwicklungen abhängig sind, zeigt die gestiegene Nachfrage nach Kosmetik- und Anti-Aging-Produkten. Jeden Tag feiern in den USA rund 10.000 Menschen ihren 65. Geburtstag: Die geburtenstarken Babyboomer-Jahrgänge kommen ins Rentenalter.

Standortvorteil Energiepreis – Reindustrialisierung

Ein Ende dieser Konsumfreude ist nicht abzusehen, denn laut BP-Chef Bob Dudley dürfte der Ölpreis „noch einige Jahre“ niedrig liegen. Damit eröffnen sich für die USA weitere langfristige Chancen: Nicht von ungefähr haben die USA eingewilligt, diesjähriges Partnerland der weltgrößten Industriemesse in Hannover zu sein. In Deutschland liegt der Anteil der Industrie am Bruttoinlandsprodukt bei 31 Prozent, in den USA nur bei 20 Prozent. Das soll sich ändern. „Unser Ziel ist es, wieder zu den führenden Produktionsstandorten der Welt zu gehören“, sagt Präsident Obama. Diese „Reindustrialisierung“ ist in vollem Gange. „Dank des Gas-Booms sind 400 neue Industrieprojekte entstanden”, freut sich Energieminister Ernest Moniz. Gerade die amerikanische Chemieindustrie erhält durch den billigen Rohstoff „einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil“, betont der Branchenverband American Chemistry Council (ACC) und beziffert die Investitionen in neue Anlagen und Kapazitätserweiterungen auf 153 Milliarden Dollar. Davon tätigen ausländische Unternehmen mehr als die Hälfte. Zwei Drittel der deutschen Chemieunternehmen, die in den USA investieren, nannten in einer VCI-Befragung die niedrigen Produktionskosten als hauptsächliches Motiv.

Standortvorteil Wagniskapital

Neben den niedrigen Energiepreisen profitieren sie häufig auch von der Gewerbeförderung, etwa mit der Bereitstellung von Straßen und anderer Infrastruktur durch die Bundesstaaten. Das wirtschafts- und innovationsfreudige Denken in den USA zeigt sich auch in den großen Summen, die private Investoren in Start-ups stecken. Zwischen 2011 und 2013 belief sich das Wagniskapital auf 87 Milliarden Dollar – das ist dreißigmal so viel wie in Deutschland. Der Löwenanteil geht in das kalifornische Silicon Valley, wo die Tech-Firmen die weltweit beherrschende Position des Landes in der Computer- und Internetbranche weiter festigen.

Standortvorteil Internetindustrie als Innovationstreiber

Die Fortschrittstreiber aus Kalifornien bewegen indes auch das politische Amerika in Richtung Innovation. Die Internetriesen brauchen enorme Mengen an Strom für ihre Datenzentren, diese sollen künftig aus erneuerbaren Energien kommen. So kündigte Facebook den Bau seines fünften Rechenzentrums an, das von einem 200-MW-Windpark versorgt werden soll. Google stellte einen 300-Millionen-Dollar-Fonds für Solarcity bereit, eine Gesellschaft, die Photovoltaikmodule herstellt. Mit dem Geld sollen private Hausbesitzer beim Umstieg auf Solarmodule unterstützt werden.

Standortvorteil Zukunftsbranchen

Die kalifornischen Internet- und Computerunternehmen waren unter den ersten der mittlerweile mehr als 80 Großunternehmen mit insgesamt neun Millionen Beschäftigten, die sich im „American Business Act on Climate Pledge“ zusammengefunden haben, um Präsident Obama in seinen Bemühungen zur Reduzierung von Treibhausgasen zu unterstützen. Kohlekraftwerke sollen durch Gaskraftwerke, aber auch durch Windkraft- und Solaranlagen ersetzt werden. Den Unternehmen geht es nicht nur um die Umwelt, sie rechnen durch das Verfolgen von Klimazielen in ihren Unternehmen auch mit Kostenreduktion, mit Innovationen und damit, für qualifizierte Mitarbeiter attraktiver zu sein.

Chemiekennzahlen amerikanischer Länder Umsatz 2014 in Mrd. €

Amerika insgesamt: 891,1

Chemiekennzahlen amerikanischer Länder (Tortendiagramm)Chemiekennzahlen amerikanischer Länder (Tortendiagramm)

Quelle: Chemdata International, Destatis, VCI

Investitionen in die amerikanische Chemieindustrie in Mio €.

Investitionen in die amerikanische Chemieindustrie (Balkendiagramm)Investitionen in die amerikanische Chemieindustrie (Balkendiagramm)

Quelle: Chemdata, VCI

Freihandel 1: TPP

Ob Anlagen für Solarstrom, Autos oder Anti-Aging-Tinkturen: Die deutsche Chemie darf darauf hoffen, an allen Entwicklungen zu partizipieren, besonders wenn sich das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP durchsetzt. Bereits im Oktober 2015 haben sich die USA und elf weitere Pazifikanrainer-Staaten auf ihre neue Freihandelszone TPP geeinigt, die innerhalb von ein bis zwei Jahren in Kraft treten soll, wenn die nationalen Parlamente zugestimmt haben – dadurch werden Handelshürden in der Region abgebaut, die 40 Prozent des Volumens der Weltwirtschaft ausmacht.

Freihandel 2: Nafta und Mexiko

Weitgehend unbemerkt von der deutschen Öffentlichkeit hat sich durch das bereits seit 1994 bestehende nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta der südliche Nachbar der USA zu einem der wichtigsten Schwellenländer entwickelt. Mexiko steht bereits an 14. Stelle der größten Volkswirtschaften der Erde. Das Land behauptet auch einen Platz unter den Top Ten der erdölexportierenden Länder. Vor allem die Industrie ist stark: Nicht von ungefähr gaben BMW und Daimler-Benz Mitte 2014 den Bau neuer Werke in Mexiko bekannt. Mexiko ist der siebtgrößte Autoproduzent der Welt mit 17 Werken von insgesamt neun internationalen Herstellern. Das Wirtschaftswachstum soll 2016 wie bereits 2015 bei rund drei Prozent liegen. Der Motor des Wachstums ist der Export, der zu erstaunlichen 80 Prozent in die USA geht. „Die Investitionstätigkeit, insbesondere von ausländischen Unternehmen, ist ungebrochen, weil Mexiko als Produktionsplattform für Nordamerika weiter an Bedeutung gewinnt“, urteilt die Wirtschaftsförderungsgesellschaft Germany Trade & Invest.

Freihandel 3: TTIP

Während Mexiko und die USA vom nordamerikanischen Freihandel profitieren, gibt es in Europa Widerstand gegen das geplante transatlantische Abkommen. Im Oktober demonstrierten in Berlin rund 150.000 Menschen dagegen, sie fürchten eine Erosion von Umwelt- und Verbraucherstandards. Dass diese in den USA nicht niedriger sind oder laxer gehandhabt werden, zeigt aber schon die Aufdeckung der VW-Abgasmanipulationen durch die US-Umweltbehörde. Für Bundeskanzlerin Merkel ist das Abkommen „ein erster Schritt zur vernünftigen Gestaltung der Globalisierung“. Schließlich sollen damit zum ersten Mal nicht nur Zölle fallen, sondern auch gemeinsame Produktstandards und Prüfverfahren festgelegt werden.

Mit TTIP würde die größte Chemiehandelszone der Welt entstehen. Die USA und die EU haben beim Handel mit Chemieprodukten bereits jetzt einen Weltmarktanteil von rund 35 Prozent. Für die deutsche Chemie sind nicht einzelne europäische Nachbarländer, sondern die USA das wichtigste Zielland für ihre Exporte. 2014 erlösten die Unternehmen im Handel mit US-Kunden rund 16,5 Milliarden Euro, das sind knapp zehn Prozent aller Ausfuhren. Durch TTIP würden in der deutschen Chemie laut Branchenverband VCI rund 2.000 neue Chemiearbeitsplätze entstehen, ein Produktionsplus von zwei Milliarden Euro und eine zusätzliche Wertschöpfung von 600 Millionen Euro.

Ausblick

Die Chemieunternehmen in den USA blicken laut einer Umfrage des amerikanischen Verbandes ACC weiter optimistisch in die Zukunft. In den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres wuchs die Produktion der Branche um 3,9 Prozent, also deutlich stärker als die Gesamtwirtschaft. Zwischen 2004 und 2014 wuchs die Gesamtproduktion der US-Chemie um 48 Prozent. Der Verband rechnet damit, dass in den Jahren bis 2019 die Produktion um ein weiteres knappes Drittel zunehmen wird, auf einen Wert von dann über einer Billion Dollar pro Jahr.

Präsenz in USA ist wichtig

Auch ohne Freihandelsabkommen sind die Verflechtungen zwischen der deutschen und amerikanischen Chemieindustrie bereits immens. Im US-Chemiemarkt, der nur ein Fünftel seines Volumens mit dem Ausland austauscht, ist es für maßgebliche Akteure wichtig, mit eigenen Produktionsanlagen vor Ort zu sein. In den 130 deutschen Tochterunternehmen in den USA arbeiten 70.000 Menschen, sie erwirtschafteten 2013 einen Umsatz von 52 Milliarden Euro – mehr als drei Mal so viel, wie die deutsche Chemie an ihrem zweitwichtigsten Auslandsstandort China erzielt.